So manchen Grossinvestor des Pharmakonzerns Novartis treibt die Sorge vor einem teuren Zukauf um. Das Beispiel der Augenheilsparte Alcon, für die die Basler einst viele Milliarden auf den Tisch legten und die dann zum Sanierungsfall mutierte, schürt die Angst vor einem weiteren Megadeal, der schiefgeht.

Nicht ohne Grund: Die «Kriegskasse» von Novartis könnte bald mit 50 Milliarden Dollar gefüllt sein, weil der Pharmariese laut über den Verkauf von Beteiligungen an Konkurrenten nachdenkt. Im Gegenzug würde wohl die Krebs-Immuntherapie ausgebaut - wo andere aber schon viel weiter sind. Das sorgt bei einigen mächtigen Aktionären für Unbehagen. 

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«Aber was tun sie mit dem Geld?»

«Ein grosser Deal mag einige ihrer Probleme lösen, aber ich persönlich würde es vorziehen, wenn sie kleinere Akquisitionen machen», sagt ein Grossinvestor, der allerdings nicht zum Kreis der Top-20-Eigner zählt.

Stephen Anness von Invesco Perpetual, nach Reuters-Daten Nummer 23 unter den Novartis-Aktionären, findet es zwar grundsätzlich gut, dass der Konzern bei seinen Beteiligungen aufräumen will. «Aber was tun sie mit dem Geld?» Er wäre sehr vorsichtig mit einem «grossen Deal um seiner selbst Willen», mahnt der Fondsmanager.

Wie weiter mit Alcon?

Alcon, einst für mehr als 50 Milliarden Dollar von Nestle erworben, steht nach Wachstums- und Ertragsproblemen zur Disposition. Bis Jahresende soll klar sein, ob die auf Augenchirurgie und Kontaktlinsen ausgerichtete Sparte an die Börse gebracht, an Dritte veräussert oder vielleicht doch behalten wird.

Bei einem Verkauf könnte Novartis heute wohl gerade noch mit 25 bis 35 Milliarden Dollar rechnen. Konzernchef Joseph Jimenez und Präsident Jörg Reinhard erwägen zudem, die rund 14 Milliarden Dollar schwere Beteiligung am Rivalen Roche zu versilbern.

Beträchtliche Gewinnbeiträge stehen auf dem Spiel

Ausserdem stellt sich die Frage, wie es mit den nicht verschreibungspflichtigen Arzneien weitergeht: Im März kommenden Jahres läuft eine Option aus, den 36,5-Prozent-Anteil an einem Joint Venture mit GlaxoSmithKline im Wert von etwa zehn Milliarden Dollar an den Partner zu veräussern.

Für Novartis stehen beträchtliche Gewinnbeiträge auf dem Spiel: Die Anteile an Roche und am Glaxo-Geschäft brachten im vergangenen Jahr 464 beziehungsweise 234 Millionen Dollar ein. Insgesamt erzielt Novartis 2016 einen Nettogewinn von 6,7 Milliarden Dollar.

Lieber Geld ausschütten?

Andererseits könnte ein Zukauf auch Defizite beheben: In der Krebs-Immuntherapie etwa hat Novartis bislang kaum Flagge gezeigt. Während etwa Roche und die US-Rivalen Bristol-Myers Squibb und Merck kräftig in diesen als Durchbruch in der Krebsmedizin gefeierten Therapieansatz investiert haben und inzwischen mit modernen Krebspräparaten gut verdienen, hat Novartis noch keine solche Arznei auf dem Markt.

«Wir glauben, dass sich Novartis dazu gedrängt sehen könnte, Vermögenswerte zu veräussern, um Akquisitionen im Pharmabereich zu finanzieren», erklärte jüngst UBS-Analyst Michael Leuchten. Vergangenes Jahr sorgten Spekulationen über ein mögliches Interesse von Novartis vorübergehend für einen Kurssprung bei AstraZeneca.

Alcon-Pleite hat Vertrauen gekostet

Doch die Alcon-Pleite hat das Novartis-Management bei den Aktionären viel Vertrauen gekostet. Vor einer weiteren Grossübernahme wäre wohl viel Überzeugungsarbeit nötig. «Ich würde es vorziehen, wenn sie ergänzende Zukäufe tätigen und mit Aktienrückkäufen weitermachen», sagt Fondsmanager Antoine Hamoir vom Vermögensverwalter Candriam, der ebenfalls in kleinerem Umfang in Novartis-Aktien investiert hat. «Das ist eine weniger riskante Strategie.»

Novartis selbst hält den Ball im Moment noch flach. Im Fokus stünden Transaktionen in der Grössenordnung von bis zu fünf Milliarden Dollar, bekräftigte Konzernchef Jimenez zuletzt vor einem Monat. Ein Sprecher betont, an dieser Haltung habe sich nichts geändert. Die Investoren werden auf der Investorenkonferenz in Boston trotzdem viele Fragen haben. 

(reuters/ccr)

Das ist das «Who is who» der Schweizer Pharma- und Chemiebranche: