Eigentlich ist die Sache klar für Thierry Stern, den Patron der Genfer Uhrenmanufaktur Patek Philippe: Das Internet sei «ein hervorragendes Tool, um Milch oder eine Jeans zu kaufen», sagte er vor rund einem Jahr in einem Interview. Zum Verkauf einer Patek Philippe eigne es sich aber nicht. Entsprechend hat das Familienunternehmen es seinen Händlern faktisch untersagt, neue Patek-Uhren in ihren Online-Shops zu verkaufen.

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Bis jetzt. Die Corona-Krise und der Lockdown des Detailhandels stellen die Welt derart auf den Kopf, dass selbst diese Firmenpolitik ab sofort nicht mehr gilt. Patek hat es seinen Händlern nun erlaubt, die Uhren der Manufaktur online zu verkaufen. Das bestätigt Raphael Gübelin, Chef des gleichnamigen Luzerner Traditionshaues und in der Schweiz der wichtigste Patek-Händler. Gübelin lobt, wie partnerschaftlich Patek den Fachhändlern in einer ausserordentlichen Situation wie der aktuellen Krise helfe.

Auch der weltgrösste Uhrenhändler Bucherer profitiert davon. Bucherer verkauft im Markt Deutschland ab sofort Patek-Uhren online. Allerdings nur vorübergehend, wie es auf der deutschen Bucherer-Website heisst. Was vorübergehend genau heisst, ist zur Stunde noch nicht klar.

Der Online-Pionier Gübelin wird besonders profitieren

Gübelin gehört in der Schweiz zu den Pionieren im Luxus-E-Commerce. Im März 2017 lancierte das Unternehmen als erster etablierter Uhren-Retailer einen Onlineshop. Und seit Herbst 2019 liefert Gübelin Bestellungen im Wert von über 5000 Franken persönlich an die Haustür. Das bereits etablierte Online-Business wird es dem Unternehmen nun erlauben, voll von der Freigabe durch Patek Philippe zu profitieren.

Die Corona-Krise trifft auch Patek Philippe selbst. Erst vor wenigen Tagen gab das Unternehmen bekannt, seine Manufaktur vorerst zu schliessen. Mitte Woche nun hat Patek auch die Lancierung der Neuheiten für das Jahr 2020, die ursprünglich für den 30. April an der Baselworld geplant waren, auf unbestimmte Zeit verschoben. Patek Philippe ist die fünfgrösste Uhrenmarke der Schweiz. 2019 machte sie einen geschätzten Umsatz von 1,45 Milliarden Franken (siehe Grafik unten).

In der Uhrenbranche fragt sich nach dem Aufsehen erregenden Schritt von Patek Philippe nun jeder: Wird auch Rolex seine strikte Anti-Online-Politik aufgeben?

Marcel Speiser Handelszeitung
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