Google-Mitarbeiter können neu bis Mitte 2021 im Home Office bleiben. Wozu braucht der Tech-Konzern eigentlich noch seine Zürcher Büros, wenn keine Mitarbeiter vor Ort sind?
Diese Gebäude werden mehr und mehr zu so genannten «Corporate Homes». Dabei geht es vor allem um die Funktion dieser jeweiligen Orte und nicht primär um die Arbeitsflächen. Das sind Orte, wo ein Unternehmen seine Kultur, seine Identität nach aussen trägt und zeigt. Obwohl das ein physischer Ort ist, wird dort weniger kreiert oder hergestellt, sondern es ist mehr ein Ort der Kommunikation. Ein «Kultur-Transport-Ort».  

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Konzerne wie Roche, Novartis oder Swiss Re bauen gigantische, prestigeträchtige Bürositze. Werden diese künftig leer stehen?
Solche «Corporate Homes» erscheinen zurzeit eher zu gross. Gleichzeitig geben Unternehmen aber auch seit ein paar Jahren vielerorts angemiete Flächen auf, um die Mitarbeiter an einem oder wenigen Standorten zu bündeln, der ihnen selbst gehört. Diese Entwicklung gibt es nicht erst seit der Corona-Krise

Diese Roche-Türme bieten künftig Platz für Tausende von Mitarbeitern. Wird so ein Riesenbau überhaupt noch benötigt?
Ich kann nichts Konkretes zu den Roche-Türmen sagen, weil ich das Konzept nicht kenne. Aber es kann sein, dass in der jetzigen Zeit, wo man gesplitette Teams hat und Abstandsregeln beachten muss, solche monumentale Gebäude vielleicht nicht so genutzt werden wie ursprünglich angedacht. Wir sind zurzeit aber auch immer noch mitten in dieser Pandemie und es ist deshalb noch schwer abzuschätzen, wann und wie Büros wieder genutzt werden.

Sind mit Blick auf den erwarteten Schub beim Thema Home Office solche Immobilien im Nachhinein eine Fehlinvestition?
Die Unternehmen betrachten diese Gebäude nicht als Fehlinvestition. Die Expansion von Google und anderen Tech-Konzernen in der Region Zürich geht nach wie vor weiter. Gerüchteweise hat Google nach der Europaallee noch weitere Flächen dazu gemietet. Diese Umsiedlungen, Neuansiedlungen und Vergrösserungen sind nach wie vor ein grosses Thema. Es werden weiterhin Verträge abgeschlossen. Das ist für mich ein klares Indiz, dass die Unternehmen diese Investitionen nicht als Fehlinvestitionen sehen. 

Geht es nicht auch darum, dass Konzerne solche Immobilien als Investitionsobjekt betrachten?
Es ist nur dann ein Investment, wenn eine Immobilie einen Ertrag abwirft oder Opportunitätskosten substituiert. Also wenn die Konzerne keine Miete mehr bezahlen müssen und die eigenen Gebäude für ihre Mitarbeiter nutzen.

Wenn diese aber nun vermehrt zu Hause arbeiten – was machen die Unternehmen mit ihren Büros?
In letzter Konsequenz führt man sie dem Flächen-Markt zu und vermietet sie. Wenn man aber ein «Corporate Home» schaffen möchte, dann wünscht man eigentlich keine Fremdmieter.

Robert Hauri

Robert Hauri ist Chef des Immobiliendienstleisters SPG Intercity. 

Quelle: ZVG

An wen können Firmen ihre nicht mehr so intensiv genutzten Büros vermieten?
Es gibt immer Industrien, die leiden, während andere gewinnen. In Zürich hat sich die Finanzbranche in den letzten Jahren stark verändert, dafür wächst die Tech-Branche. Sie hat Flächen angemietet, die durch die Finanzbranche frei wurden.

Das heisst, die Konzerne sollen an Startups vermieten?
Startups können und wollen diese Mieten kaum aufbringen. Aber Unternehmen aus anderen Industrien. Gebäude von Banken in der Zürcher Innenstadt wurden frei und werden jetzt unter anderen von Tech-Unternehmen genutzt. 

Aber nochmals: Warum bauen die Konzerne weiterhin solche Prestigebauten?
Das Thema Homeoffice ist nicht schwarz-weiss. Aus meiner Sicht wird in Zukunft nicht entweder zu 100 Prozent remote gearbeitet, aber wohl auch nicht mehr 100 Prozent in Grossraumbüros. Es wird künftig eine Mischung geben – ein hybrides Modell. Das Büro wird im Zusammenspiel mit remote, Home Office und klassischem Büroarbeitsplatz eine andere Funktion haben. Die Cafeteria wird grösser werden, die Meeting-Räume grosszügiger und vielfältiger. Die reinen Desk-Quadratmeter könnten zurück gehen – die Anzahl Quadratmeter für andere Funktionen könnten hingegen steigen. Vielleicht ist ein Swiss-Re-Hauptsitz künftig eher eine Art «Event-Location» und nicht ein Ort, wo man Zahlen stapelt und Exel-Tabellen befüllt.

Viele Büros stehen zurzeit an gewissen Arbeitstagen halb leer. 
Da habe ich eine Anschlussfrage: War das bei einigen Firmen nicht auch schon vor Corona so? Man darf jetzt wegen der Krise alles in Frage stellen. Eine ähnliche Diskussion wird aktuell auch im Detailhandel geführt: Einige sagen, die Konsumten wollen ab jetzt nur noch online einkaufen und die Innenstädte sterben aus. Dabei geht es auch dort um hybride Lösungen. «Omnichannel» ist hier das Thema. In der Bürowelt sehe ich die Entwicklung ähnlich.

Wäre es nicht sinnvoll für einen Konzern, einige Stockwerke an andere Firmen oder Startups zu vermieten, um Synergien zu schaffen?
Ich habe schon von einem Basler Pharmaunternehmen gehört, dass solche Konzepte vorstellbar sind: Anverwandte Forschung in seine «Heimat» aufzunehmen, um einen Austausch zu schaffen. Aber nicht jede Fläche, die frei wird, muss jetzt künftig von einem Startup genutzt sind. Jungunternehmen sind kostensensitiv und können solche Mieten selten tragen. 

Unternehmen könnten massiv Kosten sparen, wenn sie Büros abschaffen.
Das sehe ich nicht so. Wenn Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, dann muss der Arbeitgeber ihnen die Infrastruktur dort bezahlen. Es ist nicht so, dass Unternehmen diesen Kostenblock auf null reduzieren können. Ich muss ehrlich sagen: Zurzeit gibt es wenig Bewegung auf dem Büromarkt. Einige Firmen benötigen etwas weniger Flächen, aber eine grosse Veränderung ist noch nicht auszumachen. Das liegt aber auch daran, dass der Immobilienmarkt träge auf solche neuen Trends reagiert.