Am 19. Februar 2009 war die Welt für Willi Gerster noch in Ordnung. Der Präsident der Basler Kantonalbank (BKB) trat vor die Medien und berichtete davon, wie gut seine Bank im vergangenen Jahr gearbeitet habe. Einmal mehr lobte er die Leistung des Zürcher Private-Banking-Teams. Im Geschäftsbericht berichtete die Bank damals stolz vom «erfreulichen Wachstum» in Zürich. 2008 habe das Team über 1,1 Milliarden Franken akquiriert.

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Kurz darauf war Gerster nicht mehr Präsident der BKB. Auch der damalige CEO Hans Rudolf Matter ist nicht mehr im Amt. Es stellte sich heraus: Ein grosser Teil des Zürcher Geschäfts bestand aus Schwarzgeld von US-Kunden, das im Wissen der obersten Bankführung von der UBS akquiriert wurde. Und dies, nachdem öffentlich bekannt worden war, dass die UBS deswegen in den USA vor dem Richter stand.

Im «Statement of Facts» gesteht die Bank ihre Taten

Dass die Basler Staatsbank auch 2009 noch wissentlich Schwarzgeld suchte, ist nun erstmals offiziell bestätigt. Diese Woche einigte sich die Bank mit den US-Behörden im Rahmen eines «Deferred Prosecution Agreements» auf eine Zahlung von rund 60 Millionen Dollar. Noch wichtiger: In einem «Statement of Facts», das nun mit den Gerichtsdokumenten veröffentlicht wurde, gesteht die Bank ihre Taten ein. Die «Handelszeitung» hat dieses Geständnis ausgewertet.

« Wenn man die Grössenordnung dieses Geschäftes bei der BKB betrachtet, sind wir kaum im Visier der US-Behörden. Im Vergleich zum gesamten Kundenbestand der BKB sind weniger als ein Prozent betroffen. Es ist also kein wesentliches Geschäftsfeld für uns.»

BKB-Chef Hans Rudolf Matter im September 2009 (Quelle: Cash.ch)

Anders als früher behauptet, war das US-Geschäft für die BKB nicht nebensächlich. Zum Höhepunkt der Geschäftstätigkeit verwaltete die Bank 813 Millionen Dollar von so genannten «US-Persons», die in Amerika steuerpflichtig gewesen wären. Gemessen an den gesamten BKB-Assets machte das 2,3 Prozent aus. Rund 50 Prozent mehr als die 1,5 Prozent, die von der Bank in den vergangenen Jahren oft genannt wurden. Noch 2010 sprach die BKB von 500 Millionen Franken. Pro Jahr erzielte die Bank Gebühreneinnahmen von rund drei Millionen Franken aus dem US-Schwarzgeld-Geschäft.

Die BKB gab Gas, als gegen die UBS ermittelt wurde

Brisant ist: Die BKB stürzte sich aktiv in das Geschäft mit Amerikanern, als dieses bereits am Kollabieren war. Zwar geht das Geschäft teilweise auf eine Zusammenarbeit mit dem früheren UBS-Berater Martin Lack zurück, der Vermögen von Kunden, die bei der Grossbank nicht mehr erwünscht waren, bereits ab 2002 bei der BKB deponierte. Das Statement of Facts zeigt jedoch, wie bewusst diese Zusammenarbeit nach 2008 noch forciert wurde.

Als im März 2008 bekannt wurde, dass gegen die UBS ermittelt wird, sah die BKB darin eine strategische Chance. Und als sich die UBS im Sommer 2008 dazu entschied, Kunden aus den USA nicht mehr zu betreuen, schlugen die Kantonalbanker zu. In einem «Targets & Measures Action Plan» vom September 2008 hielt die Filiale Zürich fest, man müsse «Markt-Chancen sofort nützen», da diese bisher «zu wenig ausgenützt» würden. Das Dokument ging auch an die Basler BKB-Konzernleitung unter Matter, wie die Bank im «Statement» bestätigt.

Ab Juli 2008 noch 442 Millionen Dollar akquiriert

Die Strategie funktionierte. Zwischen Juli 2008 und März 2009 öffnete die BKB nicht weniger als 398 neue Konten für US-Kunden und akquirierte auf diese Weise 442 Millionen Dollar – die Hälfte dessen, was ihr insgesamt angelastet wird. Strategisch, absichtlich und bewusst.

Das meiste Geld wurde der Bank über externe Vermögensverwalter zugetragen. Die Bank fühlte sich auf der sicheren Seite. Sie war ja nur die Verwalterin der Depots. Wie die Berater mit den Kunden umgingen, ob sie verbotener Weise zu ihnen in die USA flogen, davon wollte sie nichts gewusst haben.

Doch auch das stimmt nicht, wie die Bank nun einräumt. Berater Lack arbeitete mehrere Monate lang von einem Konferenz-Zimmer der BKB Zürich aus. Im Juni 2008 akquirierte die BKB ein weiteres Team von der UBS. Sie vermietete diesem Arbeitsplätze in ihrer eigenen Bankfiliale. Interne Dokumente bezeichneten diese eigentlich externen Vermögensverwalter als «Inhouse-EVV», heisst es im Statement.

Interne externe Vermögensverwalter: Auszug aus dem Statement of Facts der Basler Kantonalbank..

Interne externe Vermögensverwalter: Auszug aus dem Statement of Facts der Basler Kantonalbank.

Quelle: Michael Heim

Wie umfangreich das Zürcher Geschäft war, kann sich nur vorstellen, wer je die Räume an der Stockerstrasse gesehen hat. Über drei Stockwerke zog sich die BKB-Niederlassung. Noch heute steht ein Teil der Flächen leer. Auch nach ihrem Rückzug im Jahr 2014 zahlten die Basler in Zürich noch jahrelang teure Miete für die Brache.

Banklagernde Post und Offshore Strukturen

Die BKB kämpfte mit den gleichen Tricks um die Gelder der Amerikaner wie andere Banken. Für 568 Kunden behielt sie die Post zurück, damit nicht versehentlich Kontoauszüge in die Hände von Zöllnern oder Steuerfahndern gelangen konnten. 226 Konten liefen über Offshore-Strukturen, die auf dem Papier nicht amerikanisch waren, von denen die Bank aber meist wusste, dass sie von Amerikanern kontrolliert wurden.  

Noch im Dezember 2008 eröffnete die BKB ein Konto für zwei Amerikaner, auf das in der Folge 110 Millionen Dollar überwiesen wurden. Das Geld stammte von einer Liechtensteiner Bank und gehörte einer Familie mit Wohnsitz in New York». Offenbar wurde dieses Geld später in bar (!) ausbezahlt, um Spuren in den Büchern zu vermeiden. «The Bank provided two U.S. account holders with an undeclared account with $110 million in cash», heist es im Geständnis.

Die Bank will oder darf das nicht kommentieren. «Die Ausführungen im Statement of Facts treffen zu.», schreibt Sprecher Michael Buess. «Wir haben dem nichts beizufügen und äussern uns nicht zu den Einzelheiten. Die Bank begrüsst die erzielte Lösung mit den US-Behörden.»

Konzernchef Hans Rudolf Matter war informiert

Das «Statement» hält mehrmals fest, dass die Bankleitung in Basel informiert war. Der Zürcher Niederlassungs-Leiter rapportierte direkt an den CEO der Bank. Während den kritischen Jahren war das Matter. Und so wusste die Bank auch, dass ihr wichtigster Berater, Martin Lack, regelmässig in die USA reiste, obwohl er das nicht durfte. Sitzungsprotokolle, in denen das festgehalten wurde, seien auch an den CEO der Bank gegangen, bestätigt die BKB im Geständnis.

110 Millionen in bar ausbezahlt: Auszug aus dem Statement of Facts der BKB

Auszug aus dem Statement of Facts: Die BKB zahlte 110 Millionen Dollar in bar aus.

Quelle: Michael Heim

Die Kantonalbank zögerte lange damit, sich aus dem Geschäft mit US-Kunden zurück zu ziehen. Einen ersten Stopp verordnete die Bankleitung im April 2009, als sich die UBS mit den US-Behörden auf eine Strafzahlung einigte. Kurz darauf trat Bankratspräsident Gerster zurück. An der Jahresversammlung überreichte ihm der Basler Zolli-Direktor als Abschiedsgeschenk eine Packung Elefanten-Mist. Ein Geschenk mit prophetischen Qualitäten.

Die grosse Fehleinschätzung

Doch die Bank machte bald wieder einen Rückzieher, CEO Matter fühlte sich sicher. Zu «Cash» sagte er im September 2009: «Wenn man die Grössenordnung dieses Geschäftes bei der BKB betrachtet, sind wir kaum im Visier der US-Behörden. Im Vergleich zum gesamten Kundenbestand der BKB sind weniger als ein Prozent betroffen. Es ist also kein wesentliches Geschäftsfeld für uns.» Die vermutlich grösste Fehleinschätzung in der Geschichte der Basler Staatsbank.

BKB-Chef Matter 2010 in der Handelszeitung: "Wachstum in Zürich ungebrochen."

2010 gab BKB-Chef Matter der HZ ein Interview. Darin lobte er einmal mehr einmal die Leistung des Zürcher Private-Banking-Teams.

Quelle: Michael Heim

Im Februar 2010 lockerte Matter den Aufnahmestopp für Amerikaner, die eine Steuerdeklaration vornahmen. In der «Handelszeitung» lobte er seinen Zürcher Filialleiter einmal mehr aufs Höchste: «Das starke Wachstum der Private-Banking-Einheit an der Stockerstrasse ist dank Hans Ringger mit seinem engagierten Team ungebrochen.» Zwei Jahre, nachdem die Ermittlungen gegen die UBS begonnen hatten.

Erst Ende 2011 wird Zürich-Chef Ringger abgesetzt. Konzernchef Matter hält sich gar noch bis Ende 2012.

Matter und Gerster sind verschwunden

Danach wurden bei der Kantonalbank radikale Schnitte vollzogen. Das Top-Management wurde ausgewechselt, der Bankrat als Aufsichtsgremium ebenfalls. Heute wird die BKB vom früheren Telecom-Manager Adrian Bult präsidiert. CEO seit Matters Rücktritt ist Guy Lachapelle. Von Matter und Gerster hörte man kaum je wieder etwas. Die beiden zogen sich zurück und finden im Basler Gesellschaftsleben nicht mehr statt. Beide gelten als Personae non gratae.

Die Bank vollzog auch einen strategischen Wandel. Noch im Februar 2008 prahlte ein BKB-Banker im deutschen Fernsehen damit, dass 40 Prozent der Privatkunden aus dem Ausland stammten. Mittlerweile verkauft sich die Bank wieder als Institut für Schweizer, denn auch in Deutschland hatte die Bank einen Schlappen gezogen. 40 Millionen Euro bezahlte sie 2015 – als eine von wenigen Schweizer Banken – für die Bereinigung der Vergangenheit.

Dass die BKB in den USA mit 60 Millionen Dollar verhältnismässig günstig davonkommt, dürfte damit zu tun haben, dass sie sich ab 2012 kooperativ verhielt. Sie habe die US-Behörden mit dem «grösstmöglichen Umfang» an Unterlagen versorgt, der unter Schweizer Recht überhaupt möglich gewesen sei, heisst es in den US-Dokumenten.

Die öffentliche Aufarbeitung fehlt

Eine vertiefte Aufarbeitung der Fehler im Geschäft mit US-Kunden jedoch fand nicht statt. Interne Untersuchungsberichte der Bank wurden nicht veröffentlicht. Und so ist bis heute unklar, wer in der Konzernleitung, im Bankrat und in der Regierung von der Expansions-Strategie wusste. Und diese absegnete. 

Zwar untersuchte die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments die Geschichte – zusammen mit anderen Verfehlungen bei der Bank – unter veröffentlichte im Juni 2015 einen Bericht dazu. Dieser bleibt jedoch abstrakt. Fragen zum Geschäft mit US-Kunden werden auf rund zwei Seiten abgehandelt. Die Kommission unter LDP-Grossrat Michael Koechlin kommt zum Fazit: «Eine weitergehende Darstellung kann im Bezug zum US-Geschäft heute noch nicht gemacht werden, da die Verhandlungen mit den US-Behörden immer noch andauern und die entsprechenden Dokumente für die GPK nicht einsehbar sind.»

Auch die Basler Regierung argumentierte, sie wolle den US-Behörden mit eigenen Ermittlungen nicht in die Hände spielen. Inzwischen ist viel Gras über die Sache gewachsen. Gras, das in Basel offenbar niemand mehr aufreissen möchte. Obwohl darunter viel Dreck liegt.

 

(Update vom 3.9.18: Die letzten Absätze wurden um den Verweis auf den GPK-Bericht ergänzt.)

Michael Heim Handelszeitung
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