Der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln ist unökologisch und kostet viel Geld. Ein Drittel von dem, was weltweit produziert wird, geht verloren, schätzt die Welthungerhilfe. Das sind 1,3 Milliarden Tonnen aufwendig hergestellte Nahrungsmittel, die jedes Jahr im Abfall landen.
Doch gegen dieses Übel regt sich Widerstand. Besonders in Städten, wo die Problematik der Verschwendung am schlimmsten ist, bilden sich Vereine und Unternehmen, die Food Waste den Kampf ansagen. Das Trinity College in Dublin hat eine grosse Datenbank mit über 4000 Projekten gegen Verschwendung zusammengestellt. Als einzige Schweizer Stadt hat es Zürich auf die Liste der 100 Städte geschafft.
London vor New York und Berlin
Am meisten Projekte listet die Datenbank «Sharecity100» in London. 197 einzelne Initiativen von der «Backdoor Kitchen» bis zum «Walworth Garden» arbeiten hier an der nachhaltigen Stadt der Zukunft. Dazu gehören etwa Foodsharing, urbaner Gartenbau, Saatguttausch und das Sammeln von verwertbaren Lebensmitteln aus Müllcontainern, das sogenannte Containern oder Mülltauchen.
Weit vorne sind auch die Weltstädte New York (mit 185 Projekten) und Melbourne (144). Doch das kleine Zürich muss den Vergleich mit diesen Metropolen nicht scheuen. Mit 42 gelisteten Initiativen liegt die Limmatstadt auf Augenhöhe mit Mailand (42), Wien (43) oder Frankfurt (57). Und viel wichtiger als die Zahl der Projekte ist ohnehin die Qualität der Ideen zur Verringerung von Lebensmittelabfällen.
Seed City auf dem Hönggerberg
Eines der Projekte in Zürich ist Seed City auf dem Campus Hönggerberg der ETH. Der Gemeinschaftsgarten hat 40 Mitglieder, von denen etwa 15 aktiv sind. Dabei geht es unter anderem um die umweltverträgliche und sozial gerechte Produktion von Lebensmitteln. Durch den Anbau von saisonalem Gemüse und Obst, das Vermitteln von Wissen und das gemeinsame körperliche Arbeiten wolle man «die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln und ihrer Erzeugung steigern», sagt Barbara Orth von Seed City.
Das urbane Gärtnern erlebt in den letzten Jahren einen weltweiten Boom. Zwar gehören Schrebergärten seit Jahrzehnten zum Stadtbild vieler Schweizer Städte, doch die kollektiv bewirtschafteten Stadtgärten verleihen dem Lebensmittelanbau in der Stadt in den letzten Jahren neuen Schub. Auch in Zürich ist diese Art der Landwirtschaft in der Stadt mit 15 Projekten auf dem Vormarsch.
Ökosystem in der Stadt
Eng verknüpft mit dem neuen Stadtgärtnern ist das Konzept der Permakultur. Dabei geht es darum, künstlich ein landwirtschaftlich nutzbares Ökosystem zu schaffen, welches einmal etabliert, zeitlich unbegrenzt und weitgehend selbstständig funktioniert.
«Für Seed City ist Permakultur ein Konzept zur Planung und Gestaltung eines nachhaltigen, in Kreisläufen funktionierenden Gartens», bestätigt Orth. Doch in gewissem Sinne seien auch der soziale Austausch, das gemeinsame Lernen und Arbeiten, sowie die Weitergabe von Wissen Teil des Kreislaufes und damit der Permakultur.
Abfallreduktion durch Foodsharing
Ebenfalls dem Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung verschrieben haben sich Projekte im Bereich des Foodsharing. Dabei wird Essen, das sonst im Abfall oder der Biogasanlage enden würde, verschenkt oder zu verbilligten Preisen abgegeben. Diese Art der Abfallreduktion betreibt seit einigen Jahren die Äss-Bar. In Zusammenarbeit mit Bäckereien werden in den Verkaufsstellen Brot und Patisserie vom Vortag zu einem stark vergünstigten Preis verkauft.
Ende 2013 in Zürich gestartet, gibt es inzwischen Äss-Bar-Filialen in Bern, Winterthur, St. Gallen und Freiburg. «Das Projekt stösst auf grosses Echo und wird von den Kunden begeistert aufgenommen», freut sich Geschäftsführer Sandro Furnari. Auch finanziell scheint das Konzept aufzugehen: «Das Unternehmen ist zu 100 Prozent eigenfinanziert und wächst seit der Gründung stetig weiter».
Potenzial für 12 bis 15 Standorte
Im letzten Jahr habe Äss-Bar 250 Tonnen Lebensmittel verkauft, die ansonsten vernichtet worden wären, sagt Furnari. Durch den Verkauf habe man zudem rund 225 Tonnen CO2 eingespart. Damit leiste man einen wichtigen Beitrag zur Schonung der verfügbaren Ressourcen und zur Sensibilisierung der Gesellschaft für die Thematik, ist Furnari überzeugt.
Bei Äss-Bar will man in den nächsten Jahren weiter expandieren. «Mit dem bestehenden Konzept schätzen das Potenzial in der Schweiz auf 12 bis 15 Standorte», sagt Furnari. Parallel wolle man die Schulung und Beratung ausbauen. Was die langfristigen Perspektiven betrifft gäbe es viele Möglichkeiten. So könnte man zum Beispiel auch Obst und Gemüse auf die gleiche Art vor dem Abfalleimer retten, wie man es heute mit Backwaren macht. Und ein weiterer möglicher Schritt wäre die Zusammenarbeit mit Detailhändlern.
Zwei Millionen Tonnen
Die Sharecity-Datenbank zeigt, dass das Bewusstsein für die Problematik der Lebensmittelverschwendung zunimmt. Zu tun bleibt dennoch viel: Schweizer werfen jährlich zwei Millionen Tonnen einwandfreier Lebensmittel weg, schätzt die Umweltschutzorganisation WWF. Fast die Hälfte davon wird in privaten Haushalten entsorgt. Zumindest in Zürich fällt mit der Datenbank eine Ausrede dafür weg. Es war noch nie so einfach, doch noch eine Verwendung für übriggebliebene Esswaren zu finden, wie heute.