Jeden Sommer lädt Glencore seine Geldgeber für einen Tag zum Golfspielen in den Kurort Bad Ragaz. Die Gastfreundschaft hat ihren Grund: diejenigen, die im Golfclub Bad Ragaz zusammenkommen, sind die finanzielle Nabelschnur des Unternehmens.

Drei Monate vor dem diesjährigen Treffen genehmigten 60 Banken – darunter etwa BNP Paribas und UniCredit – dem Rohstoffhaus Kreditlinien von 15,25 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das Doppelte der revolvierenden Kredite, die sich der Konzern vor einem Jahrzehnt sicherte.

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Kreditgeber lassen sich nicht verunsichern

Seit Mai haben die Aktien von Glencore mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren, weil Zweifel bestanden, ob das Unternehmen angesichts der verfallenden Rohstoffpreise seine Schuldenlast noch im Griff habe. Die Turbulenzen erschütterten die Märkte und zwangen Glencore, den Schuldenabbau aggressiver anzugehen, um die Investoren zu beruhigen. Was nie in Frage stand, war die Unterstützung durch die Kreditgeber, wie fünf Bankiers und Entscheidungsträger rivalisierender Rohstoffhändler bezeugen, die sich Anonymität ausbaten, weil sie nicht autorisiert sind, sich öffentlich zu äussern.

«Glencore ist für die Banken ein sehr attraktiver Kunde», sagte Gregory Turnbull-Schwartz, Investmentmanager bei Kames Capital. «Der kurzfristige Charakter der Kredite ist vielleicht nicht besonders lukrativ, aber es gibt jede Menge Bereiche, wo man mit mit ihnen Geld verdienen kann; da überlegt man sehr genau, bevor man eine Kreditlinie kündigt.»

Banken sehen die Vorteile der Volatilität

Die Ursprünge von Glencore lassen sich bis ins Jahr 1974 zurückverfolgen, zu der von Marc Rich gegründeten Firma. Es ist seit Jahrzehnten für Dutzende vorwiegend europäischer und japanischer Geschäftsbanken ein Kunde mit relativ geringem Risiko und geringen Margen. Rohstoffhändler – besonders solche mit tiefen Taschen – können Kreditgebern Zusatzgeschäfte bringen, etwa durch Beratungsmandate bei Fusionen oder bei der Finanzierung von Projekten.

Die Banken wissen auch, dass Rohstoffhändler bei fallenden Rohstoffpreisen von der Volatilität und von niedrigeren Finanzierungskosten profitieren können. Beispiel Öl: Im vergangenen Jahr hätte Glencore 220 Millionen Dollar an Krediten benötigt, um einen Supertanker mit einer Ladung von 2 Millionen Barrel Rohöl zu finanzieren. Heutzutage reichen für die gleiche Ladung etwa 100 Millionen Dollar.

Das erklärt zum Teil, weshalb Banken selbst dann bei Krediten an Rohstoffhäuser nicht nervös werden, wenn die Märkte verrückt spielen. Vitol Group, der weltweit grösste unabhängige Ölhändler, unterzeichnete vergangenen Dienstag eine Kreditvereinbarung über 8 Milliarden Dollar mit 57 Banken. Trafigura, ein grosser Öl- und Metallhändler, sicherte sich am 1. Oktober über eine Gruppe von 28 Banken günstigere Konditionen für eine Kreditfinanzierung über 2,2 Milliarden Dollar.

Analysten sehen Bankkredite kritischer

Einige Branchenbeobachter sind weniger gelassen. In einer Kurzstudie vom vergangenen Mittwoch stellten Analysten von Bank of America fest, das Engagement von Banken bei Glencore könne problematisch werden, falls Regulierer sich für ihre Risiken im Hinblick auf Rohstoffe interessieren. Die Analysten, darunter Alastair Ryan und Michael Helsby, schätzten das Engagement von Banken bei Glencore auf eine Bruttosumme von insgesamt 100 Milliarden Dollar. Auch Bank of America hat Kredite an Glencore vergeben.

Fürs Erste scheint sich die Panik des Marktes um das Handelshaus gelegt zu haben. Gegenüber dem Rekordtief von September hat sich der Aktienkurs deutlich erholt, seit Ivan Glasenberg, der Milliardär und langjährige CEO, in einem Rundschreiben an die Mitarbeiter auf ein Netzwerk sehr belastbarer, langfristiger Beziehungen zu Banken verwies.

Im nächsten Mai steht ein Vertrauenstest an

Am Montag teilte Glencore mit, man stehe in Gesprächen über den Verkauf zweier Kupferbergwerke in Australien und Chile. Die nächste grosse Belastungsprobe für die von Glasenberg und seinem Treasury-Team über Jahrzehnte auf Golfplätzen gepflegten und gefestigten Beziehungen zu den Banken steht im Mai an, wenn das Unternehmen seine grössten Kredite refinanzieren muss.

Im Mai erneuerte Glencore seine revolvierende Kreditfazilität und beschaffte sich 15,25 Milliarden Dollar: einen 8,45 Milliarden Dollar-Kredit über 12 Monate und 6,8 Milliarden Dollar über fünf Jahre.

Glencore finanziert sich nicht über Wall-Street-Banken, sondern hauptsächlich über europäische und asiatische Handelsbanken. Der Konzern hat weniger als 40 Prozent seiner Kreditlinien genutzt, wie zwei mit den Vorgängen vertraute Personen sagten.

Kreditverlängerung wäre schlechtes Zeichen

Die Vereinbarung über die Fazilität sieht vor, dass Glencore seinen im Mai 2016 fälligen Kredit für eine geringe Gebühr um ein weiteres Jahr verlängern kann, wenn es das wünscht. Würde sich der Konzern für diese Option entscheiden, statt den Kredit zu refinanzieren – und alle Beteiligten anschliessend zu einer Runde Golf einzuladen – so würde er damit de facto signalisieren, dass er die Unterstützung seiner Kreditgeber verloren hat, sagten vier mit den Verhältnissen vertraute Banker.

Glencore wird sich wohl auch in Zukunft auf die Unterstützung der Geldgeber verlassen können, dürfte aber für die nächste Kreditrunde ungünstigere Konditionen in Kauf nehmen müssen. Während der Finanzkrise verlängerte der Konzern seine revolvierende Kreditfazilität zu einer Zeit, in der die Kosten für eine Absicherung gegen einen Zahlungsausfall innerhalb der nächsten fünf Jahre auf über 3000 Basispunkte anstiegen. Der Kredit kostete schliesslich 225 Basispunkte über dem 3-Monats-Libor-Satz. Diesmal lagen die Kreditausfall-Swaps auf fünf Jahre immer unter 900 Basispunkten.

«Die Kosten der Finanzierung von Handelsoperationen werden steigen, aber das heisst nicht, dass das Geschäft nicht mehr funktioniert», schrieb der Analyst Wen Li von CreditSights, in einer Kurzstudie.

(bloomberg/jfr)