Eigentlich haben wir uns ja gerade an den neuen Modus gewöhnt. Viele blühen im Homeoffice entgegen der anfänglichen Befürchtungen richtig auf. Sie leisten anständige Arbeit, haben neue Routinen und Abläufe entwickelt und die Schockstarre nach dem Zwangs-Homeoffice löst sich bei vielen. Die Kommunikation mit den digitalen Tools läuft inzwischen so normal und stabil, als hätte man es nie anders gemacht. Und viele Unternehmen organisieren inzwischen sogar Kaffeepausen und das gemeinsame Freitagabendbier online.

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Eine aktuelle Studie von Professor Winfried Ruigrok und Stephanie Schoss der Universität St. Gallen hat herausgefunden, dass die Mehrheit der Befragten mit ihren virtuellen Teams zufrieden ist. 76 Prozent der Befragten finden ihr virtuelles Team effizient, 71 Prozent fühlen sich vom virtuellen Team geschätzt, 72 Prozent finden, dass jeder in ihrem Team die gemeinsamen Ziele versteht. Nur 29 Prozent begegnen technologischen Barrieren bei der virtuellen Zusammenarbeit. Durchgeführt wurde die Studie vom Competence Centre for Top Teams der Uni St. Gallen.

Informationsasymmetrie vermeiden

Jetzt wird die Situation aber komplizierter: In der kollektiven Bewältigung der Corona-Krise treten wir als Arbeitgeber und Arbeitnehmende in eine neue Phase ein: Langsam kommen die ersten Mitarbeitenden ins Büro zurück. Viele Angestellte bleiben zwar noch im Homeoffice, manche vielleicht noch Monate, weil sie zu einer Risikogruppe gehören. Minimal aber steigt die Besetzung der verwaisten Büros wieder an. Jetzt müssen Führungskräfte schon wieder ihre Strategie anpassen und noch sensibler auf die Bedürfnisse der virtuellen und analogen Teams reagieren.

Aber erst mal geht es um Organisatorisches: «Sobald der Zeitpunkt der Rückkehr festgelegt ist, sollten Sie dies den Mitarbeitenden klar kommunizieren, damit alle Bescheid wissen und es nicht vor dem definierten Datum zu vollen Meetingräumen kommt», erklärt Marco Meister, CEO von Atwork, einem Startup für Mitarbeiterengagement.

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Studie: Für das Funktionieren eines virtuellen Teams ist die Entwicklung eines starken Gemeinschaftsgefühls entscheidend. Das Competence Centre for Top Teams an der Uni St. Gallen, Teil der Forschungsstelle für Internationales Management, untersucht Dynamiken und Verhalten innerhalb von Teams unter besonderer Berücksichtigung der Covid-19-Krise.

Erfolgsfaktoren: Ein Gemeinschaftsgefühl in einem virtuellen Team entstehe vor allem dann, wenn sich der Teamleader und das Team gemeinsam klare Ziele setzen, die von allen Mitgliedern verstanden werden. Der technische Aspekt ist wenig problematisch. 70 Prozent der Befragten einer Studie zum Thema sehen keine technischen Barrieren. Wichtig, so die HSG-Studie: Virtuelle Teams dürften nicht zu gross werden. Wachsen virtuelle Teams, sinken die Effizienz und die gefühlte Wertschätzung der Mitarbeitenden.

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Besonders wichtig sei es, in dieser ersten Kommunikation den Mitarbeitenden die neuen Verhaltensregeln und Schutzmassnahmen im Büro näherzubringen. Dazu gehörten Abstandsregeln, Hygienevorschriften und Begrüssungsregeln. «Ein umsichtiger und vorbildlicher Umgang mit den Regeln wird ‹the new normal› im Büro sein.»

Integration wird wichtig

Mitarbeitende, die aus gesundheitlichen Gründen nach wie vor daheim arbeiten, dürfen nicht vergessen werden. «Besonders wichtig dabei ist, dass sich diese Personen zu Hause nicht von den Kolleginnen und Kollegen im Büro abgehängt fühlen, sondern integriert werden. Aus diesem Grund sollten Unternehmen digitale Foren schaffen, in denen der informelle Austausch zwischen Mitarbeitenden über Hierarchiestufen und Teams hinweg gefördert wird.»

Solche Foren können Sie beispielsweise mit virtuellen Kaffeepausen oder Feierabenddrinks schaffen. «Dies sollte nach der Rückkehr ins Büro umso mehr gefördert werden, da ansonsten eine Informationsasymmetrie zwischen den Mitarbeitenden im Büro und denen zu Hause entsteht, was zu Frust und Enttäuschung führen wird», so Meister.

Auch das Kompetenzzentrum für Top Teams von Winfried Ruigrok an der Uni St. Gallen sieht ein gewisses Frustpotenzial. Immerhin haben 57 Prozent der bei seiner Studie Befragten Schwierigkeiten beim Lesen der Körpersprache von virtuellen Teamkollegen. Und 31 Prozent der Teammitglieder fühlen sich bei der Arbeit im virtuellen Team isoliert. Wenn nun manche wieder ins Büro kommen und die virtuellen Meetings nicht mehr pflegen, werden diese Problem vergrössert.

Seco sagt Einbruch voraus

Die drohende Informationsasymmetrie wird noch verstärkt durch starke Jobunsicherheiten, mit denen Mitarbeitende wieder zurück ins Büro kommen und die natürlich auch die Kollegen betreffen, die noch zu Hause sind. Und die sind durchaus berechtigt. So sagen doch die Prognosen des Seco fürs laufende Jahr einen Einbruch der Schweizer Wirtschaftsleistung um 6,7 Prozent voraus. Damit droht uns die schlimmste wirtschaftliche Krise seit Jahrzehnten.

«Als Arbeitgeber sind Sie gut beraten, wenn Sie die Jobängste adressieren und aufzeigen, wie es um das eigene Unternehmen steht. In gewissen Bereichen werden Kürzungen und Sparmassnahmen unabdingbar sein. Hier gilt es, offen und frühzeitig zu kommunizieren, damit es nicht zu Missverständnissen kommt und die Massnahmen von den Mitarbeitenden akzeptiert werden», erklärt Atwork-CEO Meister seinen Ansatz.

Wichtig: Nicht nur Angestellte, die im Büro sind, brauchen aktuelle Infos zum Geschäftsgang. Auch die Jobsorgen der Homeoffice-Arbeiterinnen und -Arbeiter müssen adressiert werden. Wird das nicht gemacht, entsteht ein virtueller Flurfunk, der nur mehr mit grösster Mühe eingefangen werden kann.

Kommunikationsplattformen etablieren

Um Informationsasymmetrien abzubauen, rät Meister zur Einrichtung einer zentralen Infoplattform: «Sprechen Sie zurückkehrende Mitarbeitende, die während der letzten Wochen daheim gearbeitet haben, direkt an. Die meisten haben sich aufs Büro gefreut – eine äusserst dankbare Ausgangslage also! Einige werden jedoch verunsichert sein, wie sie mit ihren Arbeitskollegen und mit Kunden umgehen sollen: Dürfen Hände wieder geschüttelt werden? Kann ein Meeting in einem Raum mit mehr als fünf Personen geführt werden?»

Diese Detailfragen sollten die Arbeitgeber im Voraus antizipieren und Antworten darauf ihren Mitarbeitenden über eine Kommunikationsplattform, die laufend aktualisiert werden kann, zur Verfügung stellen. Optimalerweise können Mitarbeitende neue Fragen auf dieser Plattform einreichen, damit diese von zentraler Stelle einheitlich und konsistent beantwortet und wieder auf die Plattform gestellt werden.

Regeln einhalten

Für die Mitarbeitenden, die weiter im Homeoffice arbeiten, sei es entscheidend, dass auch die Strukturen, die während der Homeoffice-Zeit für alle aufrechterhalten wurden, bestehen bleiben. «Es ist wichtig, dass Führungskräfte Struktur geben», erklärt Jennifer Jorden, Professorin an der Westschweizer Managementschule IMD. «Wichtig ist, dass es weiterhin Deadlines gibt, sodass der oder die Angestellte nicht das Gefühl hat, ohne ein Ziel einfach dahinzuschwimmen.»

Jorden weist darauf hin, dass nicht alle Mitarbeitenden mit dem gleichen Level an Freiheiten umgehen können. «Es geht darum, informelle Limits zu setzen; man muss also den Leuten sagen, was getan werden muss und was gute Methoden dafür sind, aber man sollte keine taktischen Limits setzen, also ihnen genau sagen wollen, wie sie etwas zu machen haben», so Jorden.

«Zoom-Apéro verliert seine Attraktion»

Eine Führungskraft sollte mindestens ein- bis zweimal pro Woche mit einem Mitarbeiter in Kontakt treten. Aber nicht in einer kontrollierenden und unter Druck setzenden Form, sondern indem man Bereitschaft zur Hilfe signalisiert und grundsätzlich zeigt, dass man für Feedback und Probleme empfänglich ist. «Der Zoom-Apéro war am Anfang vielleicht noch hilfreich, aber er verliert seine Attraktion und Neuheit mit der Zeit», so Jorden.

Besonders empfiehlt Jorden sogenannte Experience-Sampling-Apps. Also Anwendungen, bei denen der emotionale Puls des Teams gemessen werden kann. Auch sollte es erlaubt sein, in Nachrichten-Apps oder Gruppen-Chats lustige oder alltägliche Dinge zu posten, um die Gruppendynamik zu stärken.

Ruigrok empfiehlt, die virtuellen Teams nicht zu gross werden zu lassen: «Je grösser das virtuelle Team, desto weniger effizient ist es gemäss Einschätzung der Teammitglieder, desto weniger geschätzt fühlen sich die Teilnehmenden als Mitglieder des Teams und desto weniger Teammitglieder verstehen ihre Ziele klar», hält er im Paper des Competence Centre for Top Teams der Uni St. Gallen fest.

Stefan Mair
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