Alle, Beobachter wie Mitarbeiter der Swiss, blicken gespannt auf den 18. November, den nächsten regulären Sitzungstermin des Verwaltungsrats. Sofern der meist unsichtbare Verwaltungsratspräsident Reto Francioni nicht doch noch zwischenzeitlich ein Treffen einberuft, wird erst dann formal beschlossen, wer auf Anfang 2021 dem scheidenden CEO Thomas Klühr nachfolgt.

Er kündigte Ende September überraschend seinen Abgang an, hatte aber tatsächlich, wie ein Vertrauter berichtet, seinem Führungsteam schon Anfang 2020 angekündigt, dass er aufhören wolle – verschob dies aber wegen der Corona-Krise.

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Pendelei nach Deutschland

Vertraute berichten, Klühr sei das dauernde Pendeln schon länger auf den Magen geschlagen: Seine Frau führt eine Arztpraxis nahe dem Wohnort südlich von Frankfurt und wollte ihre Patienten nicht dauerhaft zurücklassen. Also sei Klühr wann immer möglich nach Norden gefahren, um Zeit mit der Familie verbringen zu können.

Als er dann in den vergangenen Monaten realisiert habe, dass die Krise tiefer werde als zunächst vermutet und noch Jahre anhalten wird, soll er sich entschlossen haben, seinen Sitz umgehend zu räumen – statt bis zum Ende der Krise auszuharren. Und dies womöglich erst nach der letzten VR-Sitzung, die wohl bereits im Spätsommer stattfand. Klühr gilt als jemand, der einmal getroffene Entscheide konsequent umsetzt.

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Binkert will den Job – und er will ihn jetzt

Als natürlicher Nachfolger steht Finanzchef Markus Binkert bereit. Er gilt wie Klühr als integrativer Manager, dem die Truppe vertraut, hat mit Erfolg die relevanten Funktionen beim Lufthansa-Konzern durchlaufen, ist bestens vernetzt und ist Schweizer, was bei Verhandlungen mit Bern hilft.

Insider sagen: Wenn Binkert den Job wolle, führe kaum ein Weg an ihm vorbei. Zumal es Binkert und Francioni gut miteinander können. Und zwei, die Binkert gut kennen, sagen: Der will den Job – und er will ihn jetzt.

Die Verzögerung erklären sich deshalb einige Lufthanseaten mit anderen Überlegungen. Nämlich, den 48-jährigen Binkert nicht mitten in der Krise aufs Schild zu heben, um ihn nicht zu verbrennen – sondern für einige Übergangsjahre einen Chef-erfahrenen Elder Statesman zu installieren.

Daher kursieren Namen wie die von Edelweiss-CEO Bernd Bauer oder Eurowings-Chef Jens Bischof oder von Lufthansa-Cargo-CEO Peter Gerber, der als Intimus von Konzernboss Carsten Spohr gilt.

Wenn Cash verbrennt

1,5 bis 2 Millionen Franken kostet die Swiss jeder einzelne Tag Corona-Krise, Miniflugplan und fehlende Passagiere. Die Lufthansa gesamt rechnet sogar mit einer halben Million Euro Verlust – pro Stunde.

Warten auf Francioni

Andererseits hält ein Branchenmann für möglich, dass man bei Swiss noch versuchen möchte, einiges abzuarbeiten, bevor der Neue genannt wird. Etwa, sich mit Piloten- und Kabinenpersonal auf Krisen-Sozialpläne zu einigen, wie es Schwester-Airline Austrian unter Alexis von Hoensbroech bereits im Mai erreichte, bevor der Staat dort Hilfe zusagte.

Dass die Swiss sich zuerst Staatshilfe sicherte, dürfte die Ansprüche der Gewerkschaften gesteigert haben. Das wird die Gespräche komplizieren.

Nun heisst es: Warten auf Francioni. Spätestens am 18. November muss er seine Stimme erheben.