Jetzt nicht! Die Pessimisten glauben an einen weiteren Rückgang der Aktien, selbst nachdem der Abschwung im September den SPI in Richtung Bärenmarkt gezogen hat. Ein Grund dafür ist nach ihrer Meinung, dass wir die «Kapitulation» noch nicht erreicht haben – diesen schnellen, freien Fall mit Panikverkäufen, die im Allgemeinen den Bärenmarkt beenden. Allerdings gibt es zwei wichtige Faktoren, die eine Kapitulation zur Beendigung dieses stimmungsgetriebenen Bärenmarkts unwahrscheinlich machen. Lassen Sie mich das erklären.

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Die Kapitulationsthese unterstellt, dass die Anleger noch nicht ängstlich genug sind. Anhänger dieser These wissen, dass Bärenmärkte ihre Talsohle normalerweise inmitten heftiger, panikartiger Verkäufe erreichen, die das Geld aus den Aktien abziehen und in liquide «sichere Häfen» wie Anleihen, Gold und Bargeld fliessen lassen. Mit schwindender Hoffnung nehmen die Abflüsse aus den Aktienfonds zu. Die Kapitulation!

Zwar enden Bärenmärkte normalerweise so, aber nicht immer. Dieses Mal dürfte es aus zwei Gründen nicht so sein: Zum einen haben weltweit viele Anleger keinen fallenden Markt gesehen. Zweitens sind die typischen sicheren Häfen heute nicht mehr so sicher.    

Über den Autor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen in sechs Ländern, die rund 188 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investment-Managern der USA.

In Schweizer Franken haben die weltweiten Aktien kaum die Bärenmarkt-Schwelle von 20 Prozent durchbrochen, der Tiefpunkt vom 30. September lag 20,9 Prozent unter dem Hoch im letzten November. In US-Dollar ist es zwar mehr, aber mit -26,1 Prozent immer noch wenig. Die Tiefstände in Euro, Pfund und Yen lagen bei -16,9 Prozent, -15,3 Prozent beziehungsweise -14,1 Prozent – das sind Korrekturen und keine Bärenmärkte. Warum sollten sich Anleger ohne einen extremen, Panik auslösenden Abschwung extrem verhalten?    

Die Pessimisten weisen – als Beweis für sich abzeichnende Panikverkäufe – auf die relativ niedrigen Abflüsse aus globalen Aktienmärkten seit April hin. Damals zogen die Anleger rund 63 Milliarden Schweizer Franken ab.    

Aber denken Sie an die traditionellen «sicheren Häfen» – beispielsweise Anleihen. Der Kapitalabfluss daraus übertrifft seit Jahresbeginn den der Aktien. Das verwundert wenig. Die globalen Aktien sind seit dem Hoch vom im November 2021 um 17,2 Prozent gefallen, aber der Bloomberg Global Aggregate Bond Index, der Unternehmensanleihen und Staatsschulden misst, liegt in dieser Zeitspanne bei -15,0 Prozent. Auch langfristige Anleihen sind kein Zufluchtsort. Die 10-jährigen Schweizer Staatsanleihen sind in diesem Zeitraum in Franken um 9,3 Prozent gesunken. Und deutsche Bundesanleihen? Ein Minus von 17,6 Prozent in Euro. Die meisten befürchten, dass die Zinssätze noch weiter steigen und die Kurse der Anleihen treffen werden. Warum also Aktien gegen Anleihen tauschen?    

Eine Inflation – weithin befürchtet – würde auch den Wert der Zinszahlungen aus Anleihen mindern. Ebenso den von Bargeld. Selbst wenn die aktuell relativ bescheidene Inflation von 3,2 Prozent in der Schweiz nicht steigt, erodiert sie angesichts der kurzfristigen schweizerischen Renditen nahe Null doch die Barbestände. Zudem müssen die globalen Banken, die mit Einlagen überflutet sind, mit höheren Zinsen nicht noch mehr anlocken. Daher bringen selbst in Amerika, wo die Tagesgeldsätze der Fed bei 3,25 Prozent liegen, hochverzinsliche Sparkonten weniger als 3 Prozent – abzüglich Inflation ein zutiefst negativer Zins. Warum aus Aktien, die fallen oder steigen können, aussteigen und einen Verlust realisieren?    

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Gold – die vermeintlich meisterliche Inflationsabsicherung – glänzte im Februar und Anfang März. Seitdem ist es um 13,2 Prozent gefallen und folgt damit den globalen Aktien mit einem Minus von 4,8 Prozent.    

Ist Krypto das neue Gold, wie viele vor dem Jahr 2022 argumentierten? Der Absturz des Bitcoins um 72,5 Prozent in US-Dollar zwischen dem Novemberhoch 2021 und dem Tiefpunkt am 21. September beendete das Gerede um digitale sichere Häfen.    Auch Immobilien bieten wenig Sicherheit – nicht bei den von Luzern bis Los Angeles hohen Preisen und steigenden Hypothekenzinsen. Zudem fehlt es Immobilien an Liquidität, wodurch das Risiko steigt.  

Daher wird eine klassische Kapitulation unwahrscheinlich. Erinnern Sie sich: Der Aktienmarkt – oder der «grosse Demütiger» – will möglichst lange möglichst viele täuschen, für möglichst viel Geld. Ein neuer Bullenmarkt, der schleichend einsetzt, während viele auf die Kapitulation warten, würde genau das tun. Wenn die meisten pessimistisch und ängstlich sind, ist es an der Zeit, optimistisch und gierig zu sein – so wie jetzt.  

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