Die Zentralbanken und Regierungen haben weltweit einen historisch beispiellosen monetären und fiskalpolitischen Feldzug gegen die Schäden der Coronavirus-Pandemie gestartet. Obwohl die heutige Störung des Wirtschaft- und Finanzsystems ganz andere Wurzeln hat als die Finanzkrise von 2008, wurde eine Vielzahl von damals entwickelten Tools und Stabilisierungsmechanismen sehr schnell und effizient reaktiviert.

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Europa kann zusätzlich auf die Erfahrungen der Eurokrise (2010 bis 2015) zurückgreifen. Dieser gut fundierte Erfahrungsschatz ist von unschätzbarem Wert, um die aktuellen Schockwellen wirkungsvoll zu absorbieren.

Unschätzbares Schadensausmass bedingt massive Massnahmen

Die durch die Epidemie erzwungenen weltweiten Produktions-Stopps, temporären Firmen-Schliessungen und Transport-Einschränkungen führten praktisch über Nacht zum stärksten konjunkturellen Einbruch in der jüngeren Geschichte. Im Gegensatz zu bisherigen Wirtschaftskrisen (darunter die Finanzkrise 2008) handelt es sich jetzt aber um einen exogenen Schock und nicht um systemeigene Fehlentwicklungen.

Deshalb ist eine schnelle und massive Antwort der öffentlichen Hand absolut zwingend, um nicht ansonsten intakte wirtschaftliche Strukturen irreparabel zu beschädigen. Zudem ist das genaue Schadenausmass nicht abzuschätzen, was umso mehr genügend starke Massnahmen, sozusagen "auf Vorrat", bedingt. Damit wird gefährlichen selbsterfüllenden Prophezeiungen aufgrund von Panikwellen in der Bevölkerung und der Investoren vorgebeugt.

Geldpolitik alleine nicht ausreichend

Damit ist die bisherige Reaktion der Zentralbanken und Regierungen vorbildlich und mehr als angemessen. Die Hilfspakete sind vergleichbar mit jenen in der Vergangenheit: Im Gegensatz zur Grossen Depression von 2008 sind Liquiditätsspritzen der Notenbanken zwar zwingend notwendig – und zwar in unbeschränkter Grössenordnung – aber nicht hinreichend, um die Probleme der Wirtschaft abzufangen.

Geldpolitik ist dieses Mal nur notwendiges Mittel, um Marktliquidität, Banken und Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten. Produktions- und Lohnausfälle müssen dagegen über staatliche Überbrückungsprogramme und Subventionen (allenfalls auch Kapitalspritzen) kompensiert werden.

Gigantische Stützungsprogramme für Firmen

Erfreulicherweise wurde diese Aufgabenteilung sehr schnell, zielgerichtet und in der richtigen Dosierung vorgenommen. Staatliche Hilfen fliessen in Form von Schutzschirmfonds. Deutschland stellt beispielsweise 600 Milliarden Euro über einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds für grössere Unternehmen zu Verfügung. Die Summe entspricht 17 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Hinzu kommen nochmals 550 Milliarden Euro für kleinere Unternehmen und Haushalte, welche über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fliessen werden. Andere Regierungen erschaffen vergleichbare Programme – vielfach auch in der Grössenordnung von 10 Prozent des BIP oder mehr. Die 40 Milliarden Franken der Schweiz entsprechen beispielsweise auf die Einwohnerzahl der USA hochgerechnet in etwa dem dortigen Hilfspaket von rund 2 Billionen Dollar.

Ob diese Gelder letztlich auch benötigt werden, ist noch nicht klar. Auf jeden Fall werden die tatsächlich erfolgten Zahlungen die Staatsdefizite deutlich in die Höhe schrauben. Das ist auch für Europa kurzfristig kein Problem. Langfristig werden die Staaten aber in ihren Handlungsmöglichkeiten bei künftigen Krisen eingeschränkt und damit immer stärker von monetären Hilfen der Zentralbanken abhängig. Ein unangenehmer Trend, der schon seit gut zehn Jahren anhält.

Zentralbanken zücken die Bazookas

Und damit nähern wir uns in grossen Schritten der schon seit längerem in Fachkreisen diskutierten Schöpfung von Helikoptergeld. Damit ist gemeint, dass die Notenbank Geld schöpft und dieses entweder direkt an die Bevölkerung auszahlt oder indirekt Staatsausgaben über den Aufkauf von Staatsanleihen finanziert. Die bisher üblichen Quantitative Easings (QE) erhöhen hingegen nur die Liquidität im Bankensystem, lösen aber keine unmittelbaren staatlichen Neuausgaben aus. Zudem würde das so geschöpfte Helikoptergeld nicht mehr aus dem Umlauf genommen. Das heisst, der Staat müsste die Anleihen nicht mehr zurückbezahlen, ganz im Gegensatz zu den bisherigen QEs.

Aktuell werden von der Fed, der EZB und auch der Bank of Japan Hilfsprogramme lanciert, die zumindest teilweise die Bedingungen des Helikoptergeldes erfüllen. Denn die Zentralbanken kaufen neu auch Staatsanleihen am Primärmarkt, es werden Corporate Bonds und Aktien (BoJ) gekauft und die EU diskutiert Corona-Bonds. Alle derartigen Käufe liefern Geld für Direktinvestitionen und sind nicht nur Liquiditätsspritzen.

Die Wirksamkeit derartiger Geldschöpfung ist enorm hoch und derzeit der Lage angemessen. Die Erfahrung zeigt zudem, dass es historisch weder zu Inflation noch zu steigenden Zinsen kommen muss, wenn das Helikoptergeld massvoll und temporär beschränkt eingesetzt wird. Und da die aufgekauften Wertpapiere vorerst noch in der Bilanz der Zentralbank verbleiben, könnten die Gelder später durch Verkäufe auch wieder dem Finanzsystem entzogen werden. Es bleibt somit die Hoffnung, dass der aktuelle monetäre und fiskalpolitische Feldzug gegen das Virus erfolgreich sein wird.

Beat Thoma ist Chief Investment Officer bei Fisch Asset Management in Zürich.