Derzeit kursieren Tipps für Sparer und Anlegerinnen, wie sie der Inflation entkommen können. Menschen mit geringen Einkommen und wenig Ersparnissen dürften sich wenig um solche Aspekte sorgen. Sie müssen angesichts steigender Preise auf günstigere Produkte ausweichen, grössere Anschaffungen wie ein neues (Occasions-)Auto werden vielleicht erst mal aufgeschoben.

Immer wieder lese ich von Vorschlägen, Menschen mit kleinen Einkommen stärker zum Sparen und Investieren zu animieren. Immerhin hätten sie so über die letzten zwölf Jahre auch mit einem kleinen Sparbetrag am kontinuierlichen Anstieg der Aktienkurse und Immobilienpreise teilnehmen können. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.

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Menschen mit tiefen Einkommen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Sparen zu animieren, ist sicher eine gute Sache. Ein Sparbatzen kann einen vor der Schuldenfalle bewahren, und spätestens im Alter ist jede und jeder froh, neben der Rente noch Ersparnisse zu haben.

Über die Autorin

Isabel Martínez arbeitet an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, ein Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit liegt auf Verteilungsfragen. Die promovierte Ökonomin gehört dem internationalen Forschungsnetzwerk des Volkswirtschaftlers Thomas Piketty an, das eine Weltungleichheitsdatenbank aufbaut: WID.world.

Mehr Allgemeinbildung in Finanzfragen ist gefragt ...

Doch wie können Kleinstsparer an der Börsenentwicklung teilhaben? Sicher, investieren ist einfacher geworden und es gibt viele neue digitale Angebote. Besonders die jungen Investorinnen dürften sich davon angesprochen fühlen. Breite Appelle an Menschen mit tiefen Einkommen, ihre Ersparnisse an die Börse zu bringen, sehe ich jedoch noch mit gewisser Skepsis.

Wer selbst anlegen will, braucht Grundwissen und die Musse, sich mit seiner eigenen Anlagestrategie auseinanderzusetzen und verschiedene Finanzprodukte zu studieren. Autodidaktinnen kriegen das sicher gut alleine hin. Allen anderen sollten wir unter die Arme greifen: In der obligatorischen Schule und an Berufsschulen müsste Allgemeinbildung in Finanzfragen längst fester Bestandteil des Lehrplans sein. Neben Geldanlagen gibt es auch bei Budgetplanung, Steuern, Altersvorsorge, Hypotheken und Versicherungen Bildungslücken.

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... und tiefere Gebühren

Auf der Angebotsseite sind die Finanzinstitute gefragt: Depotgebühren sind noch immer hoch, gerade für Kleinstanleger, die wenig handeln. In der Entwicklungspolitik ist Microfinance eine Erfolgsgeschichte: Millionen von Menschen erhielten Zugang zu Sparkonti, Krediten, Versicherungen. Vorstellbar wäre nun beispielsweise eine Art Mikrodepotkonto, mit Zugang zu einigen ausgewählten ETF, Kostentransparenz und vor allem: tiefen Mindestgebühren.

Bleibt die grundsätzliche Frage, wie gross das Spar- und Anlagepotenzial von Geringverdienerinnen ist. Es braucht in jedem Fall erst mal ein liquides Pölsterli. Die hohe Zahnarztrechnung flattert auch bei einem Börsencrash ins Haus. Ist der gesamte Notgroschen angelegt, kann dies zu schmerzlichen Verlusten führen.

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