Für Thomas Trachsler ist die ganzheitliche und kontinuierliche Förderung von Mitarbeitenden und damit deren Arbeitsmarktfähigkeit eine Grundvoraussetzung für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. Eine solche pflegt er seit 35 Jahren in der Assekuranz nicht nur für seine Mitarbeitenden, sondern auch für sich selbst. 

Ob als Gruppenleiter, selbstständiger Generalagent, Geschäftsleitungsmitglied der Mobiliar-Gruppe oder als Verwaltungsrat: stets steht für den humorvollen Berner der Mensch im Zentrum des Handelns. Während der fünf Jahre als Präsident des Berufsbildungsverbands der Versicherungswirtschaft VBV hat er seine Begeisterung für das Versicherungsgeschäft zudem auch auf nationaler Ebene nach aussen getragen.

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Herr Trachsler, wie lautet Ihr Fazit nach 35 Jahren in der Assekuranz?

Ein vermeintlicher Notnagel hat sich als absolutes Highlight entpuppt.

Das müssen Sie jetzt aber etwas genauer erklären …

Ich landete per Zufall in der Versicherungsbranche und bereue das bis heute keine Sekunde! Als ich nach der kaufmännischen Lehre im ACS-Reisebüro nicht so recht wusste, was ich machen soll, sagte ein Kollege zu mir, ich könne ja in die Motorfahrzeugversicherung gehen, schliesslich sei ich sehr technikaffin.  

In der Motorfahrzeugversicherung arbeiten Sie schon lange nicht mehr direkt – was hat Sie über all die Jahre in der Branche und vor allem auch bei der Mobiliar gehalten?

Die Branche ist äusserst abwechslungsreich. Das habe ich schnell realisiert. Dank dieser Vielfalt und der Unternehmenskultur der Mobiliar sind die vielen Jahre wahnsinnig schnell vorbeigegangen; ich konnte sehr viel lernen.  

Zudem ist mir immer mehr bewusst geworden, dass wir als Versicherung Vertrauen verkaufen. Die Nähe zu den Kundinnen und Kunden hat mich angetrieben und fasziniert. Auch geht es mir immer darum, ihnen das Leben einfacher zu machen. 

Geht diese Nähe zum Kunden mit der Digitalisierung nicht verloren?

Nein, ganz und gar nicht!  Persönliche Nähe und Digitalisierung sind für mich ein Paar, das Hand in Hand geht, und kein Gegensatz. Die Digitalisierung ermöglicht uns zum Beispiel, einfachere Schäden schneller abzuwickeln. So sind unsere Mitarbeitenden immer dann vor Ort bei den Kunden, wenn es sie wirklich braucht. 

Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann hat sich in den vielen Jahren an der Kundenfront eigentlich nicht viel verändert?

Der persönliche Kundenkontakt ist nach wie vor zentral. Märkte und Technologien verändern sich laufend, doch Kundinnen und Kunden bleiben Menschen. Die Digitalisierung hat absolut ihre Berechtigung, sie bringt Effizienz. Der Kunde kann sich an jemanden wenden, wann er will, auch wenn er keinen Schadenfall hat. 

Muss also die Königsdisziplin Schaden ihre Krone schon bald abgeben?

Der Schadenfall ist nach wie vor der Bereich, in dem wir sehr gut sein müssen. Genau dafür zahlt der Kunde seine Prämien. Aber wir können heute digitale Wertschöpfungsketten bilden, die die Kunden vor und nach ihrem Versicherungsbedürfnis begleiten.

Das heisst, Kunden haben dank der Digitalisierung mehr Berührungspunkte mit ihrem Versicherer?

Genau, und der Berater oder die Beraterin bildet nach wie vor den sozialen Kit. Daher basiert auch unser Verständnis von einem Ökosystem auf den beiden Pfeilern. Die 80 Generalagenturen an 160 Standorten zeigen die physische Nähe, die digitalen Unternehmen, die wir arrondieren, stehen für die Rundum-Verfügbarkeit von ergänzenden Dienstleistungen. Die Kunst besteht darin, die digitalen Potenziale mit unserem Versicherungskerngeschäft zu verbinden. Das hat dazu geführt, dass wir heute nicht mehr im reinen Versicherungskästchen bleiben wollen.

Was meinen Sie damit?

Dass wir uns bei der Weiterentwicklung nicht mehr primär bei Mitbewerbern umsehen, sondern bei Technologiefirmen. Sie gehen Themen teilweise radikal anders an als wir.

Strebt die Mobiliar damit auch radikale oder disruptive Veränderungen an?

Es kommt stark darauf an, wie man Disruption definiert. Disruption und Kontinuität schliessen sich in meinem Verständnis nicht aus. Für mich bedeutet Disruption nicht, einfach mit Altem zu brechen, sondern hat immer damit zu tun, wie gut man als Mensch oder Organisation in der Lage ist, rasch auf Veränderungen zu reagieren. 

Viele Marken und Unternehmen sind nicht etwa gestorben, weil sie die Disruption verpasst haben, sondern weil sie es nicht geschafft haben, diese als Organisation zu leben oder sich technologisch anzupassen. 

Wenn wir als Mobiliar noch das machen würden, was wir 1826 gemacht haben, würde es uns schon lange nicht mehr geben. Dennoch würde niemand von unseren Mitarbeitenden von Disruption sprechen. Für sie ist es einfach eine normale Weiterentwicklung. 

Das zeigt: Wenn Führungskräfte vorausschauend agieren und eine permanente, zielgerichtete Weiterentwicklung betreiben, können Unternehmen die Veränderungen am Markt mitnehmen und niemand hat das Gefühl, dass es zu einem Bruch kommt. 

Die Realität zeigt, dass der Veränderungswille nicht bei allen Menschen gegeben ist. Wie ist es Ihnen gelungen, die Mitarbeitenden bei all den internen Veränderungen und externen Zukäufen mitzunehmen?

Das ist ein interessantes Spannungsfeld. Zentral ist, das Sinnstiftende hinter Veränderungen aufzuzeigen und die Menschen in die Prozesse einzubinden. Zudem müssen Führungskräfte die Gnade haben, den Mitarbeitenden zu vertrauen und ihnen etwas zuzutrauen. 

Aus meiner Erfahrung als COO weiss ich, dass beide Seiten voneinander lernen und profitieren können. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Ein Startup ist sehr stark im Hier und Jetzt unterwegs – als Konzern können wir den Jungfirmen Stabilität und Kontinuität geben. Natürlich braucht es vom Management sehr viel Vertrauen, den kleinen Firmen die Freiheit zum Machen zu lassen. Im Gegenzug benötigen Gründerinnen und Gründer die Gelassenheit, ihre Überzeugung und ihr Herzblut in eine grössere Unternehmung einfliessen zu lassen. Und es braucht von allen Seiten eine Portion Offenheit und Neugierde. Daher versuchen wir immer, Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Bereichen einzubinden, wenn wir eine Partnerschaft mit einem Startup eingehen.