Die Mieterinnen und Mieter in der Schweiz blicken dem 1. Juni besorgt entgegen: Dann könnte der Referenzzinssatz erstmals steigen und in der Folge die Mieten. Wie eine Umfrage zeigt, sind die grössten Vermieter schon in den Startlöchern. Es gibt aber Ausnahmen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hypo-Referenzzinssatz im Juni steigt, ist sehr hoch. Die meisten Experten gehen inzwischen davon aus. Hintergrund der Entwicklung ist, dass sich die Hypozinsen im Zuge der Zinswende von ihren historischen Tiefstständen gelöst haben.

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So beliess das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bei seiner letzten Beurteilung im März den Zins zwar noch einmal bei 1,25 Prozent. Auf diesem rekordtiefen Niveau steht er seit März 2020. Doch der dem Referenzzinssatz zugrunde liegende Durchschnittszins auf inländische Hypothekarforderungen stieg schon damals auf 1,33 von 1,18 Prozent. 

Sollte der vierteljährlich berechnete Wert nun auf über 1,37 Prozent steigen, wird der Referenzzinssatz auf 1,50 Prozent angehoben; er wird jeweils auf den am nächsten liegenden Viertelprozent-Wert auf- oder abgerundet.

Für die Mieter wären das schlechte Nachrichten. Denn bei einer Anhebung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte, dürfen die Vermieter den Mietzins um 2,9 Prozent anheben – sofern sie auch die vorherigen Senkungen weitergegeben haben.

Zur Erinnerung: Bei Einführung im Jahr 2008 hatte der Satz 3,5 Prozent betragen, danach sank er schrittweise. Laut einer Schätzung der Zürcher Kantonalbank basieren derzeit rund die Hälfte aller Mietverhältnisse auf dem aktuellen Referenzzinssatz.

Mieterhöhung sind absehbar

Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur AWP unter gut einem Dutzend grosser Vermieter ergab, müssen sich diese Mieter auf baldige Erhöhungen einstellen. «Kommt es zu der erwarteten Referenzzinssatzerhöhung, gehen wir davon aus, dass wir die betroffenen Mietwohnungsverträge in unserem Portfolio entsprechend anpassen werden», teilt etwa die Versicherungsgruppe Swiss Life mit, eine der grössten Vermieterinnen des Landes. 

Für Aussagen zum genauen Zeitpunkt und zur Höhe der Anpassungen sei es zum jetzigen Zeitpunkt aber noch zu früh. Das ist der Tenor der Antworten. Manche Vermieter wollen sich aktuell aber noch nicht so klar festlegen. So will die Axa jedes Mietverhältnis «einzeln analysieren und individuell eine Anpassung prüfen». Auch die Mobiliar und die Helvetia wollen sich Mietvertrag für Mietvertrag anschauen.

Einige gewichtige Immobilienbesitzer wollen sich überhaupt noch nicht in die Karten blicken lassen. Dazu zählen die Pensionskassen von Coop und Migros sowie die Grossbank UBS, welche nach der Zwangsfusion mit der Credit Suisse zu einem noch wichtigeren Player auf dem Schweizer Immobilienmarkt aufsteigt. Auch die grossen Immobiliendienstleister Wincasa und Livit wollten sich nicht äussern.

In diesen Regionen droht ein Kostenschock beim Wohnen​​​​​​​

Weil die Mieten weiter steigen, bleibt weniger Geld im Portemonnaie. An diesen Orten schrumpft das Haushaltsbudget am stärksten.

Ein Verzicht auf eine Anhebung wegen der eh schon hohen Teuerung ist aber kaum kein Thema. Im Gegenteil: Viele Vermieter wollen nebst dem Referenzzinssatz auch die Teuerung auf die Mieter abwälzen. So zum Beispiel die Zurich, sofern dies aufgrund der Marktmieten möglich sei. Und auch bei der Immobiliengesellschaft Allreal heisst es: «Neben höheren Mieten aufgrund des Referenzzinssatzes wird auch ein Teil der Teuerung an die Mieter weitergegeben.»

Mieterhöhungen dürften rasch erfolgen

Zeitlich dürften die meisten Vermieter die Briefe unmittelbar nach der Publikation des Referenzzinssatzes verschicken, damit die Erhöhung schnellstmöglich gilt. Entscheidend dafür ist die Kündigungsfrist. Viele Mietverhältnisse können inzwischen jeden Monat gekündigt werden, manche aber nur quartalsweise.

Rar sind die Vermieter, die explizit keine Erhöhung planen. Dazu zählt die SBB. «Eine generelle Mietzinsanpassung aufgrund eines allfälligen Anstiegs des Referenzzinssatzes im Sommer ist derzeit nicht geplant», heisst es von den Bundesbahnen.

Kompliziert ist es bei den Wohnbaugenossenschaften. In der Regel wenden diese laut einer Sprecherin die Kostenmiete an, welche den tatsächlichen Hypothekarzinssatz zu berücksichtigen hat und nicht den Referenzzinssatz. Teilweise stützen sie sich jedoch trotzdem auf ihn, so die Sprecherin. Kein Thema ist bei den Genossenschaften eine pauschale Weitergabe der Teuerung, weil bei der Kostenmiete nur tatsächliche Kostensteigerungen, etwa für den Unterhalt, weitergegeben werden dürfen.

Die grossen Vermieter sind sich derweil nicht einig, ob das System des Referenzzinssatzes überhaupt noch zeitgemäss ist. Kritik äussert zum Beispiel die Mobiliar: Sie würde ein «einfaches, allgemein verständliches System, welches den Teuerungsschwankungen gerecht werde», bevorzugen. Sie lobt konkret die heutige Praxis bei Gewerbemietverträgen, bei welchen der Mietzins jährlich an den Landesindex der Konsumentenpreise angepasst wird.

Anderer Meinung ist Allreal: Das System mit dem Referenzzinssatz sei etabliert, von allen Seiten anerkannt und nachvollziehbar. «In den letzten Jahren haben die Mieterinnen und Mieter dank sinkenden Hypothekarzinsen von tieferen Mieten profitiert, mit den steigenden Finanzierungskosten auf Seite der Eigentümer ist es aber auch nachvollziehbar, dass das Pendel nun in die andere Richtung ausschwingt», lautet das Fazit der Immobiliengesellschaft.

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(sda/mbü)