Als der Bundesrat Mitte März die «ausserordentliche Lage» dekretierte und der Schweiz den Saft abdrehte, waren wir geschockt. Was der Kalte Krieg oder die globale Finanzkrise 2008/09 nicht geschafft hatten, das gelang einem Virus.

Heute, zehn Monate später, ist die Lage noch immer ausserordentlich, unübersichtlich, widersprüchlich. Aber wir haben einiges gelernt. Es wird Zeit, aus der Sicht der Ökonomie Lehren aus der Pandemie zusammenzufassen.

  • Erstens: Die Globalisierung ist ein Segen. Der weltweite Handel, der stets nach optimalen Lösungen sucht, hat Lieferunterbrüche im Nu behoben. Kann Indien keine Grundstoffe für Medikamente bieten, springen China oder Thailand ein. Internationale Forscherteams spielen sich über Kontinente wissenschaftliche Erkenntnisse zu. Die Impfstoffe, die uns immunisieren werden, sind international entstanden. Die amerikanische Pfizer mit der deutschen Biontech, die amerikanische Moderna mit der Schweizer Lonza. Niemand würde freiwillig auf die russische Eigenentwicklung Sputnik V setzen, nicht einmal die eigene Bevölkerung.
Über den Autor

Stefan Barmettler ist der Chefredaktor der «Handelszeitung»

  • Zweitens: Eine reibungslose Kooperation von Staat und Wirtschaft dient dem Volk. Wer auf europäischen Podien über Staatshilfe referiert, der merkt schnell: Was hierzulande Finanzdepartement, Nationalbank, Finanzaufsicht und Privatbanken innert Tagen schufen – nämlich die gesetzlich abgesicherte Kreditvergabe –, war einmalig. Fast bürokratielos wurden Zehntausenden Betrieben existenzsichernde Liquidität zugeführt. Nicht in Wochen, sondern in Minuten.
  • Drittens: Grosskonzerne und KMU sind eng miteinander verknotet. Dass die Exportmaschine nicht ins Stottern geraten ist, haben wir der Big Industry zu verdanken, die ins Ausland exportiert und im Inland investiert. Von ihrem beneidenswerten Zustand, insbesondere im Pharmasektor, profitiert ein Heer von tüchtigen Zulieferanten aus der Provinz.
  • Viertens: Wir können digital. Der Auszug aus den Büros hat fast überall fast perfekt funktioniert. Die Datenautobahn erwies sich als überaus belastbar. Es zeigte sich aber auch, dass die Behörden im Digitalen längst nicht auf dem Niveau der Privatwirtschaft sind. Das liegt an der grundsätzlich grösseren Schwerfälligkeit des Staates, aber auch an einer Attitüde, die Digitalisierung nicht als Mittel zur Effizienzsteigerung sieht, sondern zuvorderst als Bedrohung für Jobs und Privatsphäre. Dabei zeigt gerade diese Pandemie, dass mehr Mut Leben retten kann.
  • Fünftens: Die Umverteilung stabilisiert die Gesellschaft. Die Hälfte der Kleinbetriebe und der Familien zahlt kaum etwas in die Staatskasse ein. Es ist primär das Steuersubstrat der reichen Privaten und der Weltkonzerne, welches die Staatsaufgaben und Sozialsysteme alimentiert. Auch damit konnte für alle, die wegen des Virus in Not geraten sind, zumindest eine weitere Basis geschaffen werden. Nahrungsmittelschlangen und Aufstände von Krisenverlierern sahen wir in Italien, Frankreich oder in den USA, nicht in der Schweiz.

Wir haben es, meine ich, bis anhin trotz allem recht gut geschafft.

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