Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Maciej Skoczek. Er ist Immobilienexperte bei der Bank UBS.

 Maciej Skoczek, Immobilien, UBS

Maciej Skoczek ist Immobilienökonom bei der UBS.

Quelle: ZVG

Nach Einschätzung der UBS und auch Raiffeisen könnten Mietwohnungen langfristig knapp werden. Droht gar eine Wohnungsnot?

Die starke Nachfrage, gepaart mit rückläufiger Bautätigkeit, vermindert dieses Jahr das Angebot an Mietwohnungen. Mit schätzungsweise 2,2 Prozent dürfte die schweizweite Leerstandsquote aber immer noch deutlich über dem historischen Durchschnittswert von 1,6 Prozent bleiben.

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Die Knappheit an Mietwohnungen ist damit grösstenteils ein Phänomen der Zentren. Mittelfristig wird die Zahl der verfügbaren Wohnungen aber auch in den Agglomerationen weiter abnehmen, da ein Revival des Baubooms vorerst nicht zu erwarten ist.

Strikte Raumplanung, hohe Landpreise, anziehende Baukosten und gestiegene Zinsen werden hier als Bremsklötze wirken. 

Die Schweizer Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer sind in der Mehrheit stark verschuldet, weil sie ihre Hypotheken nur langsam abbezahlen. Könnte diese hohe Verschuldung der Bevölkerung wegen der nun steigenden Zinsen zum Problem werden?

Für die meisten Haushalte sind die gestiegenen Hypothekarzinsen auf aktuellem Niveau noch kein grösseres finanzielles Problem.

Mit der kalkulatorischen Tragbarkeitsrechnung bei der Hypothekarvergabe stellen die Banken sicher, dass Haushalte auch höheren Zinszahlungen nachkommen können. Zudem ist mindestens die Hälfte der ausstehenden Hypothekarvolumen langfristig fixiert, sodass die aktuell höheren Zinsen bei manchen Wohneigentümern erst mit Verzögerung auf die Finanzen durchschlagen werden.

Die Schweizer Raumplanung wird immer strenger, Bauen auf der grünen Wiese ist vielerorts nicht mehr möglich. Sollte mit Blick auf die wachsende Bevölkerung neues Bauland eingezont werden?

Das Raumplanungsgesetz gibt klare Richtlinien vor, wann neues Bauland eingezont werden darf: Wenn das erwartete Bevölkerungswachstum der nächsten 15 Jahre das Angebot an Bauland übersteigt, können zusätzliche Parzellen eingezont werden. Dies dürfte momentan aber in erster Linie nur im Grossraum Zürich und am Genfersee der Fall sein.

Neueinzonungen sind damit grundsätzlich noch nicht nötig.

Der Fokus sollte auf der Ausnutzung der bestehenden Siedlungsflächen liegen. Das Bevölkerungswachstum verlagert sich ohnehin verstärkt in die Peripherie, wo noch verhältnismässig viel Bauland vorhanden ist.

Luxusimmobilien waren im letzten Jahr stark gefragt. Bleiben Villen und ähnlich exklusive Liegenschaften so gesucht – und wenn ja, was sind die Gründe dafür?

Wohnliegenschaften an luxuriösen Standorten in der Schweiz verteuerten sich 2021 mit rund 10 Prozent doppelt so stark wie der Gesamtmarkt. Die starken Anstiege der Vermögen – die Folge eines sehr guten Börsenjahrs – beflügelten die Nachfrage.

Doch die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit, Vermögenseinbussen an den Börsen sowie gestiegene Finanzierungskosten wirken sich nun negativ auf die Zahlungsbereitschaft für Luxusimmobilien aus.

Daher erwarten wir, dass der starke Aufwärtstrend auf dem Schweizer Luxusmarkt in diesem Jahr deutlich an Fahrt verlieren wird. 

Tiny Houses sind im Trend. Was halten Sie von dieser Wohnform, welche Gründe sprechen dafür, welche dagegen?

Die Nachfrage nach Tiny Houses wird durch steigende Preise auf dem herkömmlichen Markt für Einfamilienhäuser gestützt. Dank kleiner Fläche kann man ein solches Objekt zum Teil für nur 100’000 Franken erwerben.

Tiny Houses sind auch ein Ausdruck des minimalistischen Lebensstils, wo nur das Nötigste zählt und auf einen übermässigen Konsum verzichtet wird. Doch Tiny Houses als Marktsegment sind insgesamt ineffizient, denn für wenig Wohnraum wird relativ viel Baulandfläche gebraucht.

Hinzu kommen weitere Nachteile: Entscheidet man sich für ein mobiles Tiny House, kann man als Eigentümer nicht von steigenden Landpreisen profitieren und das Objekt verliert durch die Abschreibung laufend an Wert. 

Welche Regionen sind besonders attraktiv für Familien, die preiswertes Wohneigentum suchen?

Vor der Pandemie war die Entscheidung über die Wohnortwahl eng an den Arbeitsort gebunden. Dank Homeoffice hat sich diese Abhängigkeit gelockert, was ein Ausweichen in günstigere Regionen ermöglicht.

Aus reiner Kostenperspektive sind Eigenheime in Teilen der Zentralschweiz sowie in den Kantonen Thurgau, Aargau und Wallis am günstigsten. Dort liegen die Standortkosten – die Kapitalkosten, die Einkommenssteuern sowie die Krankenkassenprämien – am tiefsten.

Zudem gilt: Je höher die Einkommen, desto stärker fällt der Vorteil von Tiefsteuerkantonen aus. Doch bei der Wohnortwahl spielen für Familien die Entfernung zum Arbeitsort, die Qualität der Schulbildung und die Lebensqualität eine zentrale Rolle. Daher muss die finale Entscheidung nicht immer deckungsgleich mit der finanziellen Rechnung sein. 

Die Schweizer Stimmbevölkerung wird im Herbst entscheiden, wo der atomare Abfall im Tiefenlager entsorgt werden soll. Hat ein solcher Standortentscheid auch Folgen für die Immobilienpreise im Umfeld des Lagers?

Die Errichtung eines atomaren Tiefenlagers hat in erster Linie eine psychologische Wirkung und kann sich damit vorübergehend durchaus negativ auf die Zahlungsbereitschaft für Eigenheime auswirken. Doch wie bei bestehenden Atomkraftwerken wird man sich mit der Zeit daran gewöhnen.

Langfristig dürften Standortgemeinden durch Transferzahlungen von einem atomaren Tiefenlager sogar profitieren, was ihnen wiederum ermöglicht, die Steuern zu senken.

Die neu geschaffenen Arbeitsplätze – meist für Hochqualifizierte – werden zudem zu höheren Steuereinnahmen führen. Somit können diese Gemeinden Investitionen tätigen, die sonst nicht möglich wären. Das erhöht die Standortattraktivität zusätzlich. 

Maciej Skoczek beantwortete die Fragen schriftlich.

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