Die Preise für Mehrfamilienhäuser sind am Sinken. Wie tief werden sie fallen?

Der Preisrückgang ist erwartet worden, das Ausmass scheint zu überraschen. Aufgrund des starken Rückgangs an Immobilientransaktionen sind die Aussagen der Marktteilnehmenden über das volle Ausmass noch zurückhaltend.

Generell bleibt der Wohnimmobilienmarkt in der Schweiz aufgrund des Nachfrageüberhangs und der begrenzten Landressourcen attraktiv. Die Übertreibungen des Marktes haben sich im letzten Jahr aufgelöst, und wir bewegen uns wieder auf eine Normalisierung der Immobilienpreise zu. 

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Und wird es bei den Eigenheimen zu Wertverlusten kommen?

Ein Wertverlust entsteht erst beim Wiederverkauf unter dem Einstandspreis. Immobilien werden jedoch für eine lange Haltedauer erworben. In den letzten dreissig Jahren haben die Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer von einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung profitiert.

Die deutlich höheren Finanzierungskosten führen aktuell zu einer verhaltenen Preisentwicklung beim Wohneigentum. Das kann in einzelnen Regionen kurzfristig auch zu kalkulatorischen Wertverlusten führen. Nicht zuletzt aufgrund der Vergaberichtlinien für Hypotheken ist privates Wohneigentum jedoch solide finanziert. Eine Verkaufswelle, die weitere Preiskorrekturen auslösen würde, ist sicher nicht zu erwarten. 

Gunnar Gärtner. © Patric Spahni

Gunnar Gärtner führt das Zürcher Immobilienbewertungsbüro Comre und ist Co-Präsident der Bewertungsexperten-Kammer Svit.

Quelle: Patric Spahni

Wie werden sich die Hypothekarzinsen entwickeln – und wie populär bleiben Saron-Hypotheken?

Die Hypothekarzinsen sind an das Zinsniveau des Kapitalmarktes gebunden. Die Schweizerische Nationalbank hat anlässlich der Zinserhöhung vom 22. Juni 2023 verlauten lassen, dass weitere Zinsschritte erwartet werden dürfen.

Während die Festhypotheken die langfristigen Zinserwartungen des Marktes widerspiegeln, bilden Saron-Hypotheken das aktuelle Zinsniveau unmittelbarer ab. In unsicheren Zeiten würde man meinen, dass die Zinsnehmenden stärker auf Festhypotheken setzen. Aus Bankkreisen ist jedoch zu erfahren, dass der Anteil an Saron-Hypotheken markant weiter gestiegen ist.  

Die Mieten steigen – werden Investorinnen und Investoren deshalb mehr Mietwohnungen bauen? Zuletzt wuchs die Nachfrage ja deutlich stärker als das Angebot.

Die Zinserhöhungen der Nationalbank führen zu Erhöhungen der Bestandsmieten, jedoch nicht zu höheren Erträgen bei der Erstvermietung. Der grosse Treiber für den flächendeckenden Mietwohnungsbau waren die Negativzinsen.

Mangels Anlagealternativen und einem Strafzins für nicht investiertes Kapital haben die Pensionskassen sehr viele Vorsorgegelder in Anlageimmobilien investiert. Diese Zeiten sind vorbei. Dennoch bleiben Investitionen in Renditeliegenschaften aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum attraktiv und gesucht. 

Der Schweiz droht eine Wohnungsnot. Was sind die vier wichtigsten Hebel, um mehr Wohnraum zu schaffen?

Die Not beim Wohnraum ist «hausgemacht»: Viele Bauprojekte stecken derzeit in den Genehmigungsverfahren fest. In der Stadt Zürich dauert es gemäss einer Studie der Zürcher Kantonalbank (ZKB) inzwischen im Mittel 330 Tage bis zur Erlangung der Baubewilligung. Die Researcher der ZKB haben zudem festgestellt, dass seit 2010 jede zehnte Wohnung nie gebaut wurde. Das sind schweizweit jedes Jahr 40’000 baubewilligte Wohnungen, die nicht realisiert wurden. 

Drei wichtige Hebel wären: vereinfachte Bewilligungsverfahren, Begrenzung von Rekursen, Verdichtung nach innen durch Aufstockung und Arrondierungen für Arealbebauungen. 

Überdies bedingen heutige Familienstrukturen neue Siedlungsformen, die den sozialen Zusammenhalt fördern und dabei auch eine höhere Wohnraumdichte zulassen. Ich habe das Glück, mit meiner Familie in so einer zeitgemässen Siedlung mit öffentlichen Begegnungsräumen zu wohnen. Wir konsumieren weniger Fläche für deutlich mehr Lebensqualität. 

Das Immobilien-Interview der Handelszeitung

Handelszeitung.ch gibt der Immobilienbranche das Wort: Jeden Freitag nimmt eine Expertin oder ein Experte Einschätzungen zu den wichtigsten Entwicklungen im Markt vor. Lesen Sie hier einige der Gespräche aus den vergangenen Wochen:

Immobilien sind ein Pfeiler der Schweizer Volkswirtschaft – Handelszeitung.ch macht sie zu einem Schwerpunkt in der Berichterstattung.

Die Höhe der Mieten ist zum Politikum geworden. Werden von vielen Investorinnen und Investoren missbräuchlich hohe Renditen mit Mietwohnungen erzielt?

Die Frage kann ich für alle institutionellen Investoren absolut verneinen. Die Renditen kannten in den letzten Jahren nur eine Richtung: nach unten. Das Schweizer Mietrecht koppelt den Mietzins an die Hypothekarzinsen. Wer als Mieterin in den letzten Jahren von Mietzinssenkungen profitiert hat, darf nun auch mit einer Mietzinserhöhung rechnen. Die Renditen sind somit indirekt an die Mieten gekoppelt. 

Der Missbrauch findet woanders statt: Als unabhängige Immobilienbewerter besichtigen wir jedes Jahr Hunderte Wohnungen, und missbräuchlich erscheint mir dabei mancherorts die Vermietung desolater Liegenschaften an Mieter, die aufgrund persönlicher Umstände auf dem freien Wohnungsmarkt kaum Chancen haben. Hier fehlt es an sozialer Gerechtigkeit.

Der CO2-Ausstoss von Gebäuden soll gemäss dem neuen Klimaschutzgesetz bis 2027 um 50 Prozent gegenüber 1990 sinken. Ist dieses Ziel realistisch?

Wir haben genau diese Frage am diesjährigen Real Estate Symposium diskutiert. Der frühere Rektor der ETH Zürich und Professor für Thermotronik, Lino Guzzella, hat uns anschaulich aufgezeigt, dass Netto-null kaum zu erreichen ist, wenn die Schweiz nicht massiv mehr Saisonspeicher für grüne Energie bereitstellt. Wir überschätzen uns sicher bei der Zielerreichung für 2027, allerdings sollten wir nicht unterschätzen, was wir mit der Förderung der Innovation bis 2050 alles erreichen können.  

Viele institutionelle Immobilieninvestoren haben ihre Immobilienstrategien unlängst auf die Erreichung von Netto-null im Jahr 2050 ausgerichtet und werden diese Ziele auch erreichen.

Welche Massnahmen sind nötig?

Beim Energiekonsum braucht es noch sehr viel Umdenken. Der Gebäudebestand der Schweiz wird zu einem grossen Teil von privater Hand gehalten. So, wie heute nur wenige Haushalte vorwiegend biodynamisch angebaute Lebensmittel einkaufen, gibt es auch bei der grünen Energie noch eine verhaltene Bereitschaft, mit dem Ausstieg aus fossilen Energien Verantwortung für die globalen Klimaziele zu übernehmen. 

Gunnar Gärtner beantwortete die Fragen schriftlich.

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