Die Zinsen steigen auch in der Schweiz weiter. Im Rahmen ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstagmorgen mitgeteilt, den Leitzins in der Schweiz von 1,5 Prozent auf 1,75 Prozent weiter anzuheben. 

Ein solcher Schritt wurde erwartet und er ist notwendig. Es hätte allerdings gute Gründe gegeben, den Leitzins gleich um das Doppelte – um 0,5 Prozentpunkte – anzuheben. Einige Analystinnen und Analysten haben das auch erwartet. Auch die Einschätzung der SNB würde für einen höheren Zinsanstieg sprechen.

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Denn die Inflation in der Schweiz bleibt zu hoch, auch wenn sie deutlich tiefer liegt als im Ausland. Im Euro-Raum zum Beispiel belief sie sich noch immer auf 6,1 Prozent und damit auf beinahe das Dreifache der Schweizer Teuerung, die im Mai noch bei 2,2 Prozent gelegen hatte. 

Inflationsrückgang ist täuschend

Doch man sollte sich nicht vom Umstand täuschen lassen, dass die Inflation sich überall – auch in der Schweiz – zurückbildet. Verantwortlich dafür sind vor allem sogenannte Basiseffekte. Vor allem Energiepreise und Rohstoffe wie Öl und Gas waren im Vorjahr massiv teurer. Ihr Preisrückgang wirkt sich dämpfend auf die ausgewiesene Teuerung aus. 

Ein Warnsignal liefert auch die sogenannte Kernteuerung, hier sind die genannten Rohstoffe nicht mitberücksichtigt. Auf eine auch in der Schweiz hartnäckig hoch bleibende Kerninflation verwies auch Thomas Jordan, Präsident der Nationalbank am Donnerstagmorgen. Laut letzter Messung beläuft sie sich in der Schweiz auf 1,9 Prozent. 

Und die Inflation dürfte wieder ansteigen – selbst mit der neuen Zinserhöhung: Bis 2025 soll sie selbst nach SNB-Prognose in der Schweiz über dem Zielwert von 2 Prozent bleiben.

Gründe für weiter ansteigende Preise

So werden etwa die höheren Mietpreise die Inflation wieder nach oben treiben – eine Folge der höheren Zinsen. Ausserdem sorgen teurere importierte Güter für anhaltende Preisschübe. Die Aufwertung des Frankens hat diesen Effekt jüngst etwas gebremst. Doch die Aufwertung der Schweizer Währung kann nicht unbeschränkt so weitergehen. 

Auch Zweitrundeneffekte werden ebenfalls anhaltend für einen Aufwärtsdruck auf die Preise sorgen. Wer sich ansteigenden Preisen gegenübersieht, erhöht sie selbst ebenfalls. So drohen sich die Inflation und die Preiserwartungen festzusetzen. 

Um das zu verhindern, sind die Notenbanken auch bereit, die Wirtschaft auszubremsen – eine geringere Nachfrage dämpft die Möglichkeiten, Preiserhöhungen durchzusetzen. Diese Bremseffekte auf die Realwirtschaft zeigen sich denn auch.

Angst vor dem eigenen Mut

In der Schweiz soll sich das Wachstum im laufenden Jahr auf nur noch 1 Prozent belaufen – das sieht die SNB gleich wie andere Institute. Damit wäre die Wirtschaft deutlich zu gering ausgelastet. Wie bei der Teuerung und dem Zinsniveau käme die Schweiz damit auch bei der Wirtschaftslage besser weg als etwa Deutschland. 

Die Zurückhaltung beim Zinsentscheid – bloss 0,25 Prozentpunkte statt 0,5 Prozentpunkte – dürfte allerdings damit zusammehängen, dass sich die SNB sorgt, doch zu forsch vorzugehen. So hat Thomas Jordan auf Anfrage erklärt, man wolle erst die Folgen der Entscheidung heute und die weitere Entwicklung sehen, bevor man weitere Entscheide fälle.

Ähnlich hat auch die US-Notenbank Fed argumentiert, als sie letzte Woche ihren Zins unverändert liess und erst für die Zukunft weitere Zinsanstiege plant. So ganz entschieden wagen die Notenbanken nicht gegen die Teuerung vorzugehen. Das Vorgehen erinnert an das Fahren mit angezogener Handbremse.

Markus Diem Meier

Markus Diem Meier ist Chefredaktor der «Handelszeitung»

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