Langsam nur, aber doch entspannt sich das wirtschaftliche Umfeld: Ein Zeichen für die Normalisierung in den USA sind die American-Football-Stadien; sie füllen sich wieder.  

Bei den Renditen von US-Staatsanleihen war die Renormalisierung bisher eine Mischung aus zwei Schritten vorwärts und einem Schritt rückwärts. Der Aufwärtstrend war bisher relativ sanft, die Renditen liegen immer noch unter dem Niveau vom März. Die Renditen zehnjähriger chinesischer Anleihen sind auf ein Niveau zurückgegangen, wie es im Februar 2020 bestanden hatte.

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Für Anleger gibt es momentan nicht viel Anreiz, festverzinsliche Wertpapiere aus Industrieländern zu besitzen. Die Renditen in Deutschland sind nach wie vor bemerkenswert niedrig und der Dollar ist stabil. Wieso ist unklar: Sind Anleihenkäufe der Zentralbanken die Ursache? Oder etwas anderes?

Angebotsverzerrungen als Hauptursache der Teuerung

In der Zeit der Pandemie hat sich vieles verändert, aber die Wirtschaftsexperten beschäftigen sich derzeit hauptsächlich mit einer Frage, der Inflationsfrage. Ist sie vorübergehend oder ist sie dauerhaft? Die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) gehen beide davon aus, dass die derzeitige Inflation zur Hauptsache auf angebotsseitige Verzerrungen zurückzuführen ist.

Sobald sich diese Angebotsfaktoren verbessern, werden die Preise nicht mehr steigen und die Inflationsraten werden zurückgehen, hoffen sie. Doch diese Verzerrungen könnten nicht bloss vorübergehend, sondern dauerhaft sein und die Zentralbanken «hinter der Kurve zurückbleiben», warnen Kritiker.

Über den Autor

Francis Scotland ist Director of Global Macro Research bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton.

Wir sind aber zuversichtlich, dass die US-Notenbank die richtige Wette eingeht. Doch die Verzerrungen könnten durchaus etwas länger anhalten, als die Fed es gerne hätte.

Dollar hält sich gut

Bislang halten die Märkte der US-Notenbank die Stange. Oder sie sind vielleicht weniger von der Fed überzeugt als davon, dass die Produktivität die Teuerung bremsen wird. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Inflationsaussichten ohne einen Absturz des Dollars wesentlich verschlechtern werden. Und dieser hat bisher nicht stattgefunden.

Stattdessen lag der handelsgewichtete Dollar am Ende des dritten Quartals nur 3 Prozent niedriger als am 19. Dezember 2019, und dies trotz einer Bilanzausweitung in Billionenhöhe, neuen Staatsschulden in Billionenhöhe, explodierenden Haushaltsdefiziten, einem Anstieg des Leistungsbilanzdefizits, der Wahl einer Regierung, die links von der Mitte steht, und einer steigenden Gesamtinflation.

All dies spricht für eine steigende Nachfrage nach Dollar-Liquidität, und zwar aus dem Binnenmarkt und nicht von aussen.

Die wichtigste Frage ist: Was verursacht die Inflation?

Der Konjunktureinbruch hat sowohl der Nachfrage als auch dem Angebot geschadet, aber das Angebot hat sich weniger schnell erholt als die Ausgaben, wobei Letztere durch die massiven fiskalischen Ausgabenprogramme unterstützt wurden. 

«Schweiz und Europa im Banne Chinas»

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Zu Beginn der Pandemie war die Teuerung vor allem bei den langlebigen Gütern zu spüren, aber nun beginnt sie sich auf den gesamten Konsumkorb, einschliesslich der Mieten, auszudehnen. Und je länger es dauert, bis sich die Angebotsbedingungen erholen, desto eher könnte sich der Arbeitskräftemangel als ein weiterer Angebotsschock erweisen.

Eine weitere Teuerungsursache: Die Nachfrage nach Erdöl und Erdgas steigt schneller als das Angebot. Es könnte sein, dass die Dekarbonisierungsziele zu ehrgeizig sind im Verhältnis zur Fähigkeit, mit alternativen Energien Nachfragelücken zu schliessen.

China dämpft weltweite Inflation

Ein Faktor, der dieses Inflationsrisiko etwas abmildert, kommt aus China. Das Auf und Ab der Weltwirtschaft ist im Grunde genommen von dessen Wirtschaft und den Schwankungen des Kreditwachstums bestimmt worden.

Dieses hat die Talsohle erreicht, aber es gibt noch keine Anzeichen für eine allgemeine Reflation der chinesischen Wirtschaft. Die politischen Entscheidungsträger Chinas wollen unbedingt zunächst die Wirtschaft entschulden.

Evergrande mag sich als eine erfolgreiche kontrollierte Implosion des grössten Immobilienunternehmens des Landes erweisen, aber es ist trotzdem ein deflationärer Schock, da China versucht, sich vom Immobiliensektor als Hauptstütze seines Finanzsystems zu lösen.

Immobilienspekulationen, überhöhte Bestände und eine demografische Wolke hängen über diesem Sektor. Die Regierung will keine Deflation zulassen und möchte stattdessen die Ersparnisse aus diesem Sektor in andere Industriezweige umleiten.

Konjunktur schwächt sich ab

Die weltweite Konjunktur wird sich bis zum Jahresende verlangsamen, zunächst in China und jenen Schwellenländern, die ihre Zinssätze angehoben haben. In den Industrieländern macht man sich auf den fiskalischen Rückzug, während die steigende Inflation auf die Realeinkommen und die Ausgaben drückt.

Anderseits verbessern Impfungen und Therapeutika gegen Covid-19 die Aussichten auf eine vollständige Öffnung der Wirtschaft die Perspektiven. Das würde die Produktion ankurbeln und einige der genannten Angebotsrestriktionen entschärfen.

Die grossen Zentralbanken wetten darauf, dass sich die Angebotsbedingungen genügend verbessern werden, um die Inflation in Zukunft zu senken.

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