Eschen sind ein Klassiker in privaten Gärten, Städten, Wäldern und Alleen – ganz zur Freude von Rainer Marxsen, Geschäftsführer beim Baumhändler Hauenstein in Zürich. Schliesslich waren sie eine zuverlässige Einnahmequelle für seine Baumschule – quasi ein Evergreen. Also kaufte die Baumschule jedes Jahr junge Eschen, um sie fünf bis zehn Jahre lang grosszuziehen und dann für deutlich mehr Geld zu verkaufen.

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Das hat gut geklappt – bis 2014.

Doch in den vergangenen Jahren erkrankten immer mehr Eschen in Wäldern, Städten und Privatgärten an einem Pilz. Mittlerweile sind Eschen in der gesamten Schweiz befallen, der Pilz breitet sich immer weiter aus und bereitet Marxsen Kopfzerbrechen.

Bei Hauenstein stehen zurzeit noch einige hundert Eschen, die nun keiner mehr kaufen möchte. Mittlerweile hat Marxsen aufgegeben und seine Mitarbeitenden haben die Bestände der meistbefallenen Sorten vernichtet – und damit auch einen Teil des Baumschulkapitals. Die Preise für den Baum dürften in den nächsten Jahren weiter fallen.

Komplexe Abschätzung

Täglich müssen Unternehmer wie Marxsen Entscheidungen treffen, die sie noch Jahre oder gar Jahrzehnte begleiten werden und enormes Kapital binden. Wenn die Hauenstein-Mitarbeitenden heute einen neuen Baum setzen, wissen sie schliesslich nicht, ob ihn jemand in fünf bis zehn Jahren auch kauft – oder, im Gegenteil, ob die Baumsorte im Trend liegt und sie zu wenig gepflanzt haben. Die Wertentwicklung von Bäumen abzuschätzen, ist höchst komplex.

Wie schwierig solche Entscheidungen sind, weiss auch Georges T. Roos: «Es ist relativ einfach, Megatrends wie eine alternde Gesellschaft oder die Digitalisierung auszumachen», sagt der Zukunftsforscher aus Luzern. «Die schwierige Frage ist: Wie wirken sich diese Megatrends auf das eigene Geschäft aus?» Und bei Bäumen werden solche Prognosen fast unmöglich.

Unternehmer wie Marxsen aber müssen Antworten formulieren, wenn sie erfolgreich sein wollen. Nur wenn sie Trends erkennen oder selbst neue setzen, haben sie einen Marktvorteil und können die Nachfrage bedienen. Während aber zum Beispiel Kleidungshersteller innerhalb von Wochen auf neue Trends eingehen können, müssen Marxsen und seine Kollegen in Jahren und Jahrzehnten denken.

Ratingagenturen für Bäume

«Wir verkaufen neben Unternehmen hauptsächlich an Kommunen. Das sind zuverlässige Abnehmer, die aber immer mehr behördliche Regeln und Wünsche der Anwohner befolgen müssen», sagt Marxsen. «In einigen Kommunen dürfen nur pollenarme oder fruchtlose Bäume stehen.»

Solche Entwicklungen verfolgt der Unternehmer ganz genau. Bevor er seine jährliche Anbauplanung angeht, schaut er sich wie ein guter Manager die aktuellen Verkaufszahlen an. Die nackten Zahlen kombiniert er dann mit seiner langjährigen Erfahrung und aktuellen Megatrends – und das ergibt dann die Anbauliste für das aktuelle Jahr.

Der Baum-Check

Der Günstigste und der Teuerste
Die Preise von Bäumen variieren nach Alter und Grösse. Ein einjähriges Weidenbaby ist für 19.50 Franken zu haben. Ein ausgewachsener Japanischer Ahorn kann dagegen mit bis zu 30'000 Franken zu Buche schlagen.

Die Geächteten
Streut ein Baum massiv Pollen in eine Strasse, in der er steht, hat er zunehmend keine Chance mehr, von Städten angekauft zu werden. Auch Gehölzarten, die ein invasives Verhalten an den Tag legen, wurden schon lange aus den Produktportfolios der Händler gestrichen. Ein Beispiel dafür ist der Götterbaum (Ailanthus altissima). 

Der Geheimtipp
Der Geweihbaum, oder auch Kentucky Coffeetree genannt, wird von Baumhändlern als Trendbaum gehandelt. Er sieht attraktiv aus und die Samen seiner Früchte können als Kaffee-Ersatz verwendet werden. 

Einfluss auf den Wert von Bäumen haben auch Einschätzungen von Umweltorganisationen, die mit dem Einfluss von Ratingagenturen vergleichbar seien, sagt Urs Lüscher, Leiter der Lüscher Gartenbau-Baumschulen AG. «Falls eine Pflanzenart auf eine Liste, also eine Watch-Liste oder schwarze Liste kommt, ist ihr Ruf – auch wenn die Gattung zahlreiche harmlose Arten oder Sorten aufweist – ruiniert und wird nicht mehr nachgefragt.» Da muss eine Baumschule bei einer Kultivierungszeit von 10 bis 15 Jahren schon vorausschauend planen, wenn sie im Geschäft bleiben will.

Der Baum der Zukunft ist der Klimabaum

Marxens aktuelle Favoriten sind die sogenannten Klimabäume. Sie könnten sich in Zukunft zu Bestsellern entwickeln, sagt er: «Es wird immer wärmer und trockener. Diesem Klima ist nicht jeder Baum gewachsen.» Auf welchen Baum er für die kommenden Jahre setzt, will er zunächst nicht verraten, gibt dann aber doch nach: «Ich glaube, dass der Feldahorn zum Liebling der Schweizer wird. Er ist einheimisch, pflegeleicht und hält auch heisse Sommer aus», sagt Marxsen.

Wenn aber der Erste in der Kette geschlafen hat, bekommen auch die anderen nichts mehr ab.

So geheim sei der Tipp aber eigentlich nicht. Die Nachfrage sei schon so gross, dass der Feldahorn in Baumqualität eigentlich überall ausverkauft sei – «leider auch bei uns». Das Problem: Hauenstein kauft von anderen Baumschulen Jungbäume, um sie selbst grosszuziehen – eine gängige Aufgabenteilung in der Branche.

Wenn aber der Erste in der Kette geschlafen hat, bekommen auch die anderen nichts mehr ab. «Im Nachhinein hätten wir gerne mehr Feldahorn eingepflanzt, aber wir und unsere Partnerbaumschulen haben den Trend wohl nicht früh genug erkannt.»

Die Linde sichert das Grundeinkommen

Die Verfügbarkeit von Produkten ist ein enorm limitierender Faktor, genauso wie die Fläche einer Baumschule. Deshalb folgt Marxsen einer einfachen Regel: «Wenn wir einen Baum verkaufen können, dann tun wir das auch», sagt der Geschäftsführer. Denn die Bäume verbrauchen nicht nur Fläche, es steigt auch das Risiko neuer Krankheiten oder Schädlinge, die Baumsorten unattraktiv machen.

Zudem verursachen die Bäume alle vier bis fünf Jahre hohe Kosten. Dann müssen die Bäume nämlich «verschult», also umgepflanzt werden, weil ihnen der Platz ausgeht. Würden die Baumschulmitarbeitenden also ein Kaufangebot ausschlagen, würden sie vielleicht unwissentlich Kapital vernichten und zusätzliche Kosten verursachen. Anderseits könnten sie mit einem älteren Baum mehr Geld verdienen.

Hauenstein-Geschäftsführer Marxsen hat aber Erfahrung mit solchen Risiken. Die Baumschule existiert bereits seit 1890. In all den Jahren haben die Baumprofis gelernt, was sich lohnt, und sichern die eigenen Trendinvestitionen anders ab: «Wir haben auf unseren 90 Hektar eine gute Mischung aus aktuellen Trendbäumen und sogenannten Brotbäumen – also Bäumen wie die Linde, die immer nachgefragt werden und uns ein Grundeinkommen sichern.»

Stefan Mair
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