Als ich Kind war, war die Welt einfach. Es gab den Westen und den Osten, die Kapitalisten und die Kommunisten. Freie Welt und Unterdrückung. Zumindest aus Sicht der bürgerlichen Mehrheit. Gut war, wer zum Westen gehörte – oder zumindest Kommunisten und Kommunistinnen verfolgte.

Die Bösen waren in erster Linie die Sowjets und die Chinesen. Wenn linke Politikerinnen und Politiker sich eine Reise nach Moskau erlaubten, wurde ihnen empfohlen, doch gleich da zu bleiben. Als es 1989 in Peking zum Massaker auf dem Tian’anmen-Platz kam, fand das Schweizer Parlament denn auch klare Worte. Ein gewisser SVP-Nationalrat Christoph Blocher sagte, er habe das Desaster kommen sehen. Zu gross sei der «Widerspruch zwischen wirtschaftlicher Öffnung und ungebrochenem Machtanspruch einer kommunistischen Partei» gewesen.

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Dann kam die Zeit des «Post». Wende, Post-Kommunismus, Post-Kalter-Krieg. In Russland übernahmen Private den Staat, in China plante der Staat eine Marktwirtschaft. Letzteres mit viel Erfolg. Und plötzlich interessierten sich auch Bürgerliche für die Kommunisten.

Heute leben wir in einer anderen Welt. Zwar hat China einen beeindruckenden Aufschwung hingelegt, den in der alten Welt kaum einer einem kommunistischen System zugetraut hätte. Doch von gesellschaftlicher Freiheit ist wenig zu spüren. China wird repressiver, schränkt den Markt ein, hat Hongkong eingebunden. Taiwan zittert um seine Eigenständigkeit. In Russland herrscht wie früher ein enger Zirkel über eine zunehmend unfreie Gesellschaft.

«Bewundert die Rechte vielleicht auch ein wenig, wie schön stramm und ordentlich China geführt wird? Order und ein wenig Law?»

Und die Rechten? Wo bleibt ihre Warnung? Sie ist Bewunderung gewichen. Putins Medien werden als alternative Quellen zu Schweizer «Staats- und Mainstream-Medien» gefeiert. «Pravda» für die Rechten. Und China hat die grössten Fans im Bürgertum. Ein Vorstoss von FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann zur Situation in Taiwan wurde von der SVP bekämpft, um eine Verärgerung Chinas zu vermeiden.

Ist das nur Opportunismus oder schon mehr? Natürlich geht es um viel Geld. Für 15 Milliarden Franken pro Jahr exportiert die Schweiz Güter nach China. Tendenz steigend. Niemand weiss das besser als die Blocher-Martullo-Dynastie, hat ihre Ems-Chemie heute doch zahlreiche Fabriken und Kunden in China. Doch ist es mehr? Bewundert die Rechte vielleicht auch ein wenig, wie schön stramm und ordentlich China geführt wird? 

Nichts gegen Vorsicht, wenn es um den Handel geht. Und ja, die Schweiz allein kann die Welt nicht ändern. Als kleine Nation ohne Schützenhilfe durch die EU können wir uns weniger erlauben als andere. Aber man sollte den Handel mit China mit offenen Augen und einer ehrlichen Einschätzung betreiben. Dass vermeintliche Liberale die Augen verschliessen vor immer extremeren Tendenzen der Ex- und Neokommunisten, erstaunt schon ein wenig.

Michael Heim Handelszeitung
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