Die Stimmung im Land wird schlechter und schlechter. Die Konsumenten sind so pessimistisch wie zu den dunkelsten Corona-Zeiten. Die Industrie meldet weiter rezessive Erwartungen, und auch bei den Dienstleistern hat sich die Stimmung deutlich verschlechtert.

Warum? Weil es uns gut geht und wir erfolgreich sind – und Angst haben, das zu verlieren. Dabei gibt es wenig Grund zum Schwarzmalen, solange wir das Heft des Handelns selbst in der Hand behalten!

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Keine Frage, wir sind ein kleines Land, und im nun anhebenden Machtkampf der echten und vermeintlichen Grossmächte können wir nicht mittun. Es kann also nicht unsere Strategie sein, mit einer Bevölkerung von 8,8 Millionen Menschen die ganze Welt mit mehr als 8 Milliarden Einwohnern verändern zu wollen. Stattdessen müssen wir einen Weg zum Wohle der Menschen hier finden, ohne unsere Werte zu verleugnen.

Was bereitet den Menschen Sorge? Auf der grossen Ebene ist da die Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage, und auf der alltäglichen Ebene ist es künstliche Intelligenz (KI). Es droht ein Umbruch in der Weltordnung und in der Ordnung, wie wir leben, wie wir arbeiten und konsumieren.

Die Vereinigten Staaten sind auf dem Weg des Isolationismus. Die Anstrengungen, als einzige Supermacht nach dem Mauerfall die Welt politisch und wirtschaftlich zu dominieren, überfordern die amerikanische Gesellschaft. Nicht zuletzt sind es die aufkommenden Schwellenländer China und Indien, die die Amerikaner herausfordern. Donald Trumps «Make America Great Again» bezeichnet nichts anderes als einen atavistischen Abgesang auf die Hegemonie der USA. Dieser relative Abstieg Amerikas wird durch die gegenwärtige Politik mit ihren Zöllen und Aushöhlungen der nationalen und internationalen Institutionen nur beschleunigt.

Wer glaubt, wir müssen nur die restliche Amtszeit Donald Trumps aussitzen, dann werde alles wieder gut, täuscht sich. Weder hat sein Vorgän-ger Joe Biden die isolationistische Politik während Trumps erster Amtszeit zurückgedreht, noch sehen wir auch nur das zarteste Pflänzchen einer Opposition gegen den suizidalen Kurs der jetzigen Administration. Diese Entwicklung schwächt die internationalen Institutionen, die gerade für kleine Nationen wie die Schweiz den einzigen Schutz vor dem Recht des Stärkeren bieten.

Klaus Wellershoff

Der Ökonom Klaus Wellershoff schreib regelmässig Kolumnen in der «Handelszeitung» und ist Co-Host des «Morning Call» der «Handelszeitung». Die in der Kolumne vertretenen Ansichten müssen sich nicht mit jener der Redaktion decken.

Wir brauchen eine Strategie der Neutralität, die die internationalen Institutionen stärkt und uns auf das verbleibende Verlässliche und auf ökono-mische Opportunitäten ausrichtet. Wer fragt, wo diese zu finden sind, hat offensichtlich den Kompass verloren. Die Gesellschaften mit der grössten Kongruenz gegenüber unseren eigenen Werten sind in Europa, die Märkte der Zukunft liegen in Asien. Und bei beiden sind wir willkommen.

Auf alltäglicher Ebene wirft KI einen grossen Schatten auf die individuelle Lebensplanung der Menschen. Ganz ehrlich, einen schlechteren Namen hätte man für diese neue Technologie nicht finden können. Wer fühlt sich nicht bedroht durch eine unfassbare und unglaublich gross anmutende maschinelle Intelligenz? Dabei handelt es sich nur um eine statistische Methode, die recht gut vorgaukelt, menschliche Fähigkeiten zu haben. Die hat sie aber nicht! KI ist ein technologischer Durchbruch, der uns enorme Produktivitäts- und damit mittelfristig auch Einkommensfortschritte erlaubt und bereits ein integraler Bestandteil jeder Unternehmensstrategie ist. Mehr als das ist sie aber nicht.

Grosse Innovationen bringen Strukturwandel mit sich, und bei jedem grossen Strukturwandel der Vergangenheit haben die Menschen die Sorge gehabt, dass es zur Massenarbeitslosigkeit kommt. Das ist nie passiert. Und ja, wir werden diese Technologie kontrollieren, nicht umgekehrt. Alle anderen Vorstellungen sind nichts anderes als feuchte Träume von ahistorischen Technologie-Geeks.

Trotzdem ist Strukturwandel nicht einfach. Aber welches Land sollte besser in der Lage sein, ihn zu bewerkstelligen, als die Schweiz? Unser Arbeitsmarkt ist noch halbwegs liberal organisiert. Wir verfügen über eine breit ausgebildete Bevölkerung. KI wird uns helfen, unseren Fachkräftemangel zu reduzieren. Und die Schweiz ist der wichtigste Standort für die Entwicklung von KI in Europa!

Die Welt verändert sich – im Grossen und im Kleinen. Im Grossen müssen wir mit neuen Herausforderungen fertigwerden und erkennen, dass die Chancen, die uns die alten Märkte auf unserem und die neuen Märkte auf dem asiatischen Kontinent liefern, noch lange nicht er- schöpft sind. Im Kleinen müssen wir KI in unser Leben integrieren. Dann wird sie nützlich, werden ihre Grenzen ersichtlich. «Nöd jammere, aapacke» ist das Motto, um die Zukunft zu gewinnen!