Am Anfang waren sie Helden. Peter Füglistaler und seine Mitarbeiter beim Bundesamt für Verkehr (BAV) haben den Subventionsskandal bei Postauto aufgedeckt. Über 200 Millionen Franken hat sich die Post-Tochter mit buchhalterischen Tricks erschlichen.

Wochen später wurden die Helden des BAV selbst zur Zielscheibe. Plötzlich stand die Frage im Raum, weshalb das System von Postauto so lange unentdeckt blieb. Berater des Prüfunternehmens BDO nahmen die Behörde von Füglistaler unter die Lupe. Seither mehren sich die kritischen Stimmen. Und schon bald könnte ein weiterer Bericht für Unmut sorgen.

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Das bisherige Fazit lautet: Das BAV hat seinen gesetzlichen Auftrag nur ungenügend erfüllt. Weder Umfang noch Tiefe der subventionsrechtlichen Prüfungen waren angemessen. Schlimmer noch: Beim Bund fehlten Personen mit der nötigen Fachkompetenz. Ausserdem war das Zeitbudget zu knapp bemessen. 500 Stunden wendeten die Beamten pro Jahr auf, um die Verteilung von knapp einer Milliarde Franken zu kontrollieren. Zu wenig, urteilten die Berater von BDO.  

Mehr Bürokratie

Füglistaler zieht deshalb die Schrauben an. Als Reaktion auf die Postauto-Betrügereien und den 30 Millionen Franken, welche die BLS zu viel bezogen hat, werden derzeit «alle Glättungsmodelle bei allen Transportunternehmen erfasst und anschliessend analysiert», sagt ein BAV-Sprecher. Intern kommt es überdies zu einer grossen Neuordnung. Füglistaler rekrutiert zusätzliche Mitarbeitende und will künftig doppelt so oft überprüfen, ob die Abrechnungen von Bahnunternehmen richtig sind.

Die Kosten dafür belaufen sich auf über eine Million Franken. Eine bürgerliche Allianz, angeführt von SVP-Politikerin Nadja Pieren, fordert, dass die Transportunternehmen den Mehraufwand selbst berappen sollen. «Auch in der Privatwirtschaft werden Bilanz- und Rechnungskontrollen durch die Unternehmen bezahlt», so Pieren.

Die Zahlen zum Regionalverkehr

  • Ungedeckte Kosten Die Subventionszahlungen des Bundes für die ungedeckten Kosten im Regionalverkehr summierten sich 2018 auf 969 Millionen Franken. Kontrollinstanz für die saubere Verwendung ist das BAV.
     
  • Wachstum Die Zahlungen nahmen in den letzten Jahren zu. 2008 lag die Summe bei 759 Millionen Franken. Seit 2014 werden konstant über 900 Millionen Franken im Regionalverkehr nur vom Bund verteilt. 
     
  • Profiteure Am meisten Subventionen für den Regionalverkehr erhielten 2018 die SBB (542 Mio.), Postauto (364 Mio.), BLS (178 Mio.), Thurbo (86 Mio.) und RhB (72 Mio.).
     
  • Prüfung 500 Arbeitsstunden pro Jahr investierten BAV-Angestellte in die Kontrolle der Abrechnungen der rund 120 Unternehmen, die aus dem Topf des Bundes bedient wurden.

Füglistaler will in Zukunft auch das Top-Management in die Pflicht nehmen. Jene Firmen, die mehr als 10 Millionen Franken vom Bund oder Kanton erhalten, sollen neu schriftlich bestätigen, dass die Rechnungen der Wahrheit entsprechen. Gefordert sind die Signatur des Finanzchefs, Geschäftsführers und des Präsidenten. Nimmt man die Zahlen von 2018 als Massstab, sind 24 Unternehmen von dieser Massnahme betroffen. Darunter die Grossen – also SBB, BLS, SOB oder RhB. Die Massnahme trifft aber auch zahlreiche kleinere Firmen – etwa die Societa Navigazione del Lago di Lugano oder die einer breiten Allgemeinheit unbekannte Firma Hafenbahn Schweiz AG mit Sitz in Birsfelden BL. 

Kritiker wittern Morgenluft

Dieses Plus an Bürokratie in Verbindung mit dem Versagen der Behörde in der Vergangenheit ruft Kritiker auf den Plan. SBB-Chef Andreas Meyer warf dem BAV vor, zu viele Aufgaben auf sich zu vereinen. Von einer «Kontrollbürokratie» ist die Rede. Insbesondere im Regionalverkehr seien die Bestellprozesse unglaublich kompliziert und aufwendig.

Wie das BAV in diesem Bereich operiert, zeigt ein internes Schreiben aus dem Sommer 2015 (siehe unten). Darin verlangt Füglistaler, dass SBB, Postauto und die anderen Transportunternehmen an die Substanz gehen. Füglistaler fordert die Firmen dazu auf, falls nötig auf die Reserven zurückzugreifen. Die Firmen müssten ihre Kosten und Erlöse derart berechnen, dass maximal eine «rote Null» resultiere. Unternehmen, die einen «überdurchschnittlichen Gewinn» erzielt hätten oder «überdurchschnittliche Reserven» besässen, sollten grössere Risiken bei den Offerten eingehen.

Ausriss aus dem BAV-Schreiben

Ausriss aus dem 3-seitigen Schreiben von Füglistaler: Der BAV-Chef führt eine eiserne Feder.

Quelle: Handelszeitung

Kritiker der Behörde sehen darin eine Einladung zur Manipulation. Das BAV wehrt sich allerdings entschieden gegen diese Darstellung. «Die Reserven stammen aus früheren Abgeltungszahlungen und wurden durch Bund und Kantone finanziert», so ein Sprecher. Zur «roten Null» heisst es: «Um Verluste in den abgeltungsberechtigten Sparten zu vermeiden, besteht bei den Transportunternehmen die Tendenz, Erlöse und Aufwendungen konservativ zu budgetieren. Konkret werden die Erlöse tendenziell tiefer und die Kosten tendenziell höher eingeschätzt.»

Die Vorgaben, sagt das BAV, dienten dazu, eine möglichst «realistische Budgetierung ohne Luft» zu erhalten. Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang überdies, dass Postauto für das Jahr 2016 rund 15 Millionen Franken zu viel erhalten habe.

Der finale Report

Die Fronten sind verhärtet. Für die einen ist das BAV ein Bürokratiemonster, andere wiederum stützen sogar den im Nachgang zur Postautoaffäre nochmals ausgebauten Kontrollapparat.

Die Diskussion um Füglistalers Behörde ist damit voll lanciert und dürfte bald weitere Nahrung erhalten. Der Bundesrat hat einen Bericht in Auftrag gegeben, der das Regime im Grundsatz ausleuchtet. Welche Rolle soll das BAV in Zukunft haben? Was ist die Funktion des Finanzdepartements? Diese Fragen kommen auf den Tisch.

Der finale Corporate-Governance-Report wird schon bald im Bundesrat diskutiert. Dann wird das Thema auch in der nationalrätlichen Verkehrskommission behandelt, wie deren Präsidentin Edith Graf-Litscher sagt.