Der Abgang von Swiss-Chef Thomas Klühr kommt überraschend, und er kommt für die Swiss zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Per Mitteilung am Dienstagmorgen liess Swiss die Bombe platzen: Klühr will Ende 2020 aufhören. Die Nachfolge werde im vierten Quartal verkündet.

Doch weshalb tritt Klühr ab? Und warum gerade jetzt?

Klühr nennt private Gründe für seine Entscheidung. Näheres bleibt unklar. Nur soviel: Klühr habe seinen Rücktritt bereits für das erste Quartal dieses Jahres geplant, dann aber wegen der Krise aufgeschoben.

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Schade, dass Klühr geht

Das mit den privaten Gründen mag stimmen. Swiss-Insider bestätigen dies auch und sagen zudem: Nein, eine Krankheit sei nicht Grund dafür, dass Klühr nun gehe. Ausserdem sei Klühr (Jahrgang 1962) in einem Alter, in dem man dann auch mal langsam aber sicher Platz für einen Nachfolger mache, so sei es jedenfalls üblich im Lufthansa-Konzern.

Dennoch: Es wirkt alles sehr seltsam. Normalerweise werden im Lufthansa- und Swiss-Gebilde solche Sachen von langer Hand geplant, zumal Klühr ewig im Konzern ist. Und nun, Knall auf Fall, alles vorbei? Und kein Nachfolger benannt? Seltsam.

Das deutet schon eher auf Zoff hin. So ist jedenfalls die Lesart mancher Beobachter in der Aviatik-Branche, schon schiessen die Gerüchte ins Kraut: Haben sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Klühr zerstritten, weil der Swiss-Chef in der Krise nicht härter sparen will?

Sicher ist: Es ist schade, dass Klühr geht. Er hat einen guten Job gemacht. Er war beliebt und selbst Konkurrenten und Kritiker bescheinigen ihm, sympathisch zu sein und die Airline gut geführt zu haben.

Besonnen und ruhig

Klühr ist Airline-Profi, seit Jahrzehnten bei der Lufthansa. Bevor er Anfang 2016 zur Swiss kam, war er in München für das Lufthansa-Geschäft zuständig.

«Oh, nein! Schon wieder ein Deutscher», hiess es bisweilen, als er antrat und Harry Hohmeister in Zürich ablöste. Hohmeister, der in Frankfurt mittlerweile fürs Hub-Geschäft zuständig ist, hatte kürzlich erst seinen Vertrag bei Lufthansa verlängert.

Klühr wirkte stets mit seiner besonnenen und ruhigen Art sehr positiv aufs Team und auf diejenigen, die ihn in der Schweiz noch nicht kannten. Vorgänger Hohmeister hat zwar gute Zahlen geliefert mit der Swiss, war vielen hierzulande aber auch oft zu ruppig und forsch gewesen.

Klühr übernahm eine gut geölte Maschinerie bei der Swiss, die viel Geld verdiente. Die Modernisierung der Flotte, Investititionen ins Bordprodukt, gute Passagierzahlen – das alles konnte Klühr für sich verbuchen. Die Nachfrage nach Flügen war ja auch besonders gut. Es lief gut für Klühr.

Klühr soll in Stiftung Einsitz nehmen

Das ist alles vorbei. Nun gibt es wegen Corona die grösste Krise in der Passagierluftfahrt. Die Pandemie stellt alles auf den Kopf in der Aviatik. Und: Die Krise dauert viel länger, als alle in der Branche erhofft haben. Noch Jahre. Es braucht Milliardengelder und Staatshilfe, damit Airlines wie der Lufthansa-Konzern überhaupt überleben. Zehntausende Jobs stehen auf dem Spiel. Auch die Swiss, die sonst immer so hoch profitabel war, wird nach der Krise eine andere sein. Und sie muss kräftig sparen.

Klührs Abgang kommt daher zu einem schlechten Zeitpunkt. Es steigert die Unruhe noch mehr im Unternehmen. Wie geht es weiter? Zumal gerade Verhandlungen mit dem Personal laufen. Swiss-Kritiker argumentieren, dass die Swiss zwar gut unterwegs war, doch auch einiges an Fett angesetzt habe, da würden in der Mega-Krise nun auch in Zürich harte Einschnitte nötig werden.

Immerhin: Klühr soll der Schweiz erhalten bleiben. Er soll Teil der Schweizer Luftfahrtstiftung sein. Sie hat das Ziel, die Standortvereinbarung zwischen dem Bund und der Lufthansa-Gruppe bezüglich der Entwicklung des Hubs in Zürich einzuhalten.

Mögliche Nachfolger: die Shortlist

Was den Nachfolger oder die Nachfolgerin angeht, werden nun schnell viele Namen herumgereicht: Wird Edelweiss-Chef Bernd Bauer übernehmen? Oder Swiss-Finanzvorstand Markus Binkert?

Bauer ist schon lange in Zürich unterwegs, hat mit Edelweiss eine erfolgreiche Touristik-Marke am Start. Binkert wurde erst kürzlich aus München zurückgeholt, damit er in Zürich helfen kann die Krise zu stemmen. Übernimmt er die Nachfolge von Klühr? Dann wäre endlich ein Schweizer am Start.

Der Albtraum vieler Swiss-Leute ist: Was, wenn die Swiss nun wegen der Krise ihre Eigenständigkeit noch stärker einbüssen muss? Kommt nun ein Krisenmanager aus Frankfurt, der die Swiss schlanker machen wird?

Klar ist: Es wird noch sehr ungemütlich werden für die Swiss.

Swiss fliegt im Winter 85 Prozent der ursprünglichen Ziele an

Die Swiss fliegt ab Oktober neu wieder nach Boston und Johannesburg. Auch München und Wroclaw in Polen werden wieder in den Flugplan aufgenommen. Dagegen werden die afrikanischen Städte Nairobi in Kenia und Daressalam in Tansania im Winter 2020/21 nicht angesteuert.

Insgesamt hat die Swiss 85 Prozent der ursprünglichen Destinationen im Programm, wie sie am Dienstag mitteilte. Dabei werden ab Zürich 67 Ziele angeflogen, ab Genf 21. Allerdings wird dieser Flugplan mit deutlich weniger Flügen als eigentlich geplant umgesetzt. Aufgrund der Vielzahl der Reisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen liegt er bei 30 bis maximal 40 Prozent des Vorjahres, wie die Swiss bereits in der vergangenen Woche angekündigt hatte. Zuvor hatte die Swiss gehofft, auf 50 Prozent zu kommen.

Auf der Langstrecke kann sie derzeit einige Flüge nur dank der hohen Frachtnachfrage anbieten. Ab Oktober fliegt die Swiss neu wieder nach Boston und Johannesburg. Ab Ende Oktober wird zudem dreimal wöchentlich die Strecke Zürich-Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) bedient. Mittelfristig sind hier mindestens fünf Verbindungen wöchentlich geplant. Edelweiss wird zudem Muscat im Oman mit einem Direktflug ab Zürich ansteuern.

Ab März 2021 plant die Swiss drei wöchentliche Flüge nach Los Angeles und Miami sowie in die indische Hauptstadt Neu-Delhi. Weiterhin bedient werden ab Zürich folgende Langstreckenziele: Newark, New York JFK, Chicago, San Francisco, Montreal, São Paulo, Tel Aviv, Mumbai, Bangkok, Singapur, Tokio, Hongkong und Shanghai.

In Europa kommen Ende Oktober München und Wroclaw (Polen) aufs Programm. Im Februar 2021 stossen Luxemburg, Birmingham, London City sowie Nürnberg dazu, im März 2021 Graz. In der Weihnachtszeit, in der es üblicherweise ein hohes Besuchsreiseaufkommen gebe, würden zudem Palma de Mallorca, Bilbao, Sylt, Neapel und Thessaloniki bedient, so die Swiss.

(awp/gku)

Tim Höfinghoff
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