Der Welthandel ist wegen der Pandemie aus dem Tritt geraten; es harzt bei den Lieferketten, in den Häfen staut sich Fracht, es mangelt an Containern und Lastwagenchauffeuren. Stark davon betroffen ist der Logistikkonzern Kühne+Nagel – allerdings positiv. Denn der Aufwand pro Sendung ist heute vier- bis fünfmal höher, die Kunden müssen dafür tief in die Tasche greifen. Und so hat das von Mehrheitseigner Klaus-Michael Kühne (84) beherrschte Unternehmen für 2021 berauschende Zahlen vorgelegt: Der Umsatz stieg um knapp zwei Drittel, Ebit und Gewinn schossen je um über 170 Prozent in die Höhe.

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Die Anleger haben den Braten schon früh gerochen: Zwischen März 2020 und September 2021 hat sich der Aktienkurs verdreifacht. Seither jedoch ging es mit den Kursen steil bergab, zeitweise resultierte ein Minus von einem Drittel. Das hat mit dem Ausblick des Logistikgiganten zu tun. CEO Detlef Trefzger (59) gab zwar keine Prognose ab – doch 2022 dürften die Erträge leicht, 2023 deutlich erodieren. Die aussergewöhnlichen Umstände, die 2021 für ein Glanzresultat sorgten, werden sich in diesem Ausmass kaum wiederholen. Stellt sich das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis pro Aktie für dieses Jahr noch auf 19, steigt die Kennzahl für nächstes Jahr auf 27. Damit sind die Valoren für meinen Geschmack zu teuer. Das macht auch die Dividendenrendite, die dank einer gewaltigen Aufbesserung der Ausschüttung auf 3,5 Prozent steigt, nicht wett.
 

Givaudan, Geberit, Nestlé und Novartis

Der Ukraine-Krieg hat die Börsen bislang mässig belastet. Allerdings werden die Auswirkungen des Konflikts auf die Weltwirtschaft noch lange spürbar sein. Denn vor allem die Sanktionen gegen Russland bringen es mit sich, dass die Rohstoff- sowie Energiepreise explodieren und damit die Inflation anzieht. Dazu gesellen sich die steigenden Zinsen. Die Folge: Konjunktur und Börse werden eingebremst.

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Vor diesem Hintergrund bevorzuge ich defensive Aktien wie Givaudan, Geberit, Nestlé, Novartis, Roche, SGS oder Swisscom. Zudem setze ich auf Papiere mit hoher Dividendenrendite von Unternehmen mit gesunder Finanzlage, kontinuierlicher Ausschüttungspolitik und stabilem Ausblick. Dazu gehören die Versicherungsvaloren Swiss Re (Dividendenrendite von 6,9 Prozent), Zurich Insurance (5,0) und Baloise (4,2), aber auch Aktien wie Valiant (5,3) oder Julius Bär (5,1).
Mein Favorit ist Holcim; 2.20 Franken pro Titel ergeben 4,8 Prozent, der Betrag wird ohne die sonst übliche Verrechnungssteuer von 35  Prozent überwiesen. Daneben lässt sich ein Dutzend mittelgrosser Firmen ausmachen mit Renditen von über fünf Prozent. Doch Vorsicht: Hohe Renditen bei Unternehmen mit schwachem finanziellem Fundament weisen oft auf Risiken hin. Wenn Ihnen die Suche nach Renditeperlen zu mühsam ist, halten Sie sich an Anlagevehikel wie iShares Swiss Dividend ETF, UBS Equity Fund – Swiss High Dividend oder SZKB Dividendenfonds Schweiz Plus.
 

OC Oerlikon und Viktor Vekselberg

Mit einer Dividendenrendite von 4,7  Prozent gehören auch OC Oerlikon zu den Hochprozentern. Dies ist nicht so sehr auf eine grosszügige Ausschüttung zurückzuführen – vielmehr leiden die Papiere wegen des Hauptaktionärs Viktor Vekselberg (64), denn der russische Oligarch steht auf der US-Sanktionsliste. Der Industriekonzern selbst dagegen sei davon nicht tangiert, heisst es aus der Firma. Das Geschäft jedenfalls brummt. Nach einem schwierigen 2020 hat sich im vergangenen Jahr das Ebit verdreifacht, der Gewinn schwoll sogar auf mehr als das Vierfache an. Auch für 2022 stellt das Management deutlich bessere Zahlen in Aussicht.

Ungeachtet der guten Resultate haben die Aktien seit Anfang Jahr ein Fünftel an Wert eingebüsst. Dieser Vekselberg-Börsenmalus ist andererseits auch eine Chance zum Einstieg. Denn dank der tiefen Kurse sowie der guten Aussichten sind die Valoren mit einem für dieses und das kommende Jahr geschätzten KGV von 12 respektive 11 attraktiv bewertet.
 

Tecan im tiefen Fall

Der Kursverlauf von Tecan erinnert mich an die Geschichte von Ikaros aus der griechischen Mythologie: Nachdem die Aktien zwischen März 2020 und August 2021 um 150 Prozent in die Höhe geschossen waren, schmierten sie seither um gegen 50  Prozent ab. Alleine nach Bekanntgabe der 2021er Resultate büssten die Valoren 16 Prozent ein. Dabei meldete CEO Achim von Leoprechting (53) beachtliche Ergebnisse: Der Umsatz stieg um knapp 30 Prozent, das Ebitda verbesserte sich um 37 und der Gewinn um 17  Prozent. Nur haben die Börsianer noch höhere Wachstumsraten erwartet. Dieser Tage werden nur schon geringfügig unerfüllte Erwartungen am Aktienmarkt brutal abgestraft.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an:
bahnhofstrasse@bilanz.ch

Nun hat der Hersteller von Labortechnik fraglos von der Pandemie profitiert. Und so ist beim Geschäftsgang zunehmend Courant normal angesagt. Das heisst, für dieses Jahr wird ein Umsatzwachstum von 15 Prozent erwartet, ab 2023 dürften es zwischen 5 und 9 Prozent sein. Gleichzeitig soll die Bruttogewinnmarge steigen. Das sind erfreuliche Ansagen. Tecan werden denn auch unter ihrem Wert gehandelt. Zwar sind die Papiere mit einem für 2022 geschätzten KGV von 27 und 25 für nächstes Jahr nicht billig. Doch wer sich Zeit nimmt, ist mit diesen Aktien gut beraten.