Der Schweizer Aktienmarkt nähert sich in grossen Schritten den Juni-Tiefstständen. In diesem eingetrübten Börsen- und Wirtschaftsumfeld schauen Investorinnen und Investoren meist noch genauer als sonst hin, wenn Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungsmitglieder auf privater Basis Aktien der eigenen Gesellschaft kaufen oder verkaufen.

Ein Aktienkauf wird diesbezüglich generell als positives Zeichen gesehen, drücken Manager möglicherweise die eigene positive Sicht auf den aktuellen oder zukünftigen Geschäftsgang des Unternehmens aus. Er gilt gemeinhin als Vertrauensbeweis und ein Hinweis darauf, dass der Aktie von der Teppichetage ein Aufwärtspotenzial zugeschrieben wird.

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Ein Verkauf wird hingegen oftmals als negatives Signal gedeutet – obwohl hier auch ausserbetriebliche, private Gründe wie etwa ein kurzfristiger Cash-Bedarf für Steuern oder ein Immobilienkauf eine Rolle spielen können. 

Die sogenannten Management-Transaktionen müssen ab einem Volumen von 100'000 Franken monatlich der Börsenaufsicht gemeldet werden und sind bei der Schweizer Börse SIX öffentlich einsehbar. Die betroffenen Firmen müssen jedoch nicht bekannt geben, welche Personen und Motive hinter den Käufen und Verkäufen stecken.

In den letzten vier Wochen hat die Teppichetage von Schweizer Firmen mit Wertschriften im Wert von über 305 Millionen Franken gehandelt, wobei der Grossteil - gut 257 Millionen Franken - auf Käufe zurückgeht. Im Folgenden ein Überblick zu Aktien von kotierten Schweizer Firmen, bei denen Manager in den letzten vier Wochen besonders auffällige Transaktionen getätigt haben:

1) Warum reduziert ein Grossaktionär den Aktienbestand bei SIG Combibloc?

Beim Verpackungshersteller SIG Combibloc kam es auf Monatssicht zu sechs Tranchen an Aktienverkäufen im Wert von 14,48 Millionen Franken. Mehr als 90 Prozent der Transaktionssumme wurde von einer einem Verwaltungsratsmitglied nahestehenden juristischen Person abgewickelt. Dabei könnte es sich um die CLIL Holding handeln, die mit gut 9 Prozent der grösste Aktionär des Verpackungsherstellers ist. Diese gehört dem Verwaltungsmitglied Laurens Last, der seine Firma Scholle IPN Anfang Jahr für 1,36 Milliarden Euro an SIG Combibloc verkauft hat – die Hälfte des Verkaufspreises wurde mit Aktien bezahlt. Der Rest der Aktienverkäufe geht auf  Mitglieder der Geschäftsleitung zurück.

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Das Abstossen von Aktien in einem solchen Umfang wirft Fragen auf, da CEO Samuel Sigrist erst vor wenigen Tagen in einem Interview einen optimistischen Ausblick auf das zweite Halbjahr kommuniziert hat. So erwartet SIG Combibloc einen positiven Effekt der angekündigten Preiserhöhungen auf die Marge. Auch die von Bloomberg befragten Analysten empfehlen die Aktie in grosser Mehrheit zum Kauf. Zudem hat sich die Aktie zum Verkaufszeitpunkt von den Juni-Tiefstständen weitgehend erholt, so dass der Titel seit Jahresbeginn «nur» 7 Prozent tiefer steht.

2) Kaufrausch bei Kühne+Nagel: Nutzt Klaus-Michael Kühne die Kursschwäche?

Beim Logistikdienstleister Kühne+Nagel haben ein oder mehrere Verwaltungsratsmitglieder im September in elf Transaktionen Aktien im Wert von nicht weniger als 188,74 Millionen Franken gekauft. Gemessen am Vermögen liegt man wohl nicht falsch, die Aktienkäufe mehrheitlich dem Ehrenpräsidenten, Mehrheitsaktionär und Milliardär Klaus-Michael Kühne zuzuordnen – insbesondere da die Transaktionen von einer «juristischen Person» ausgeführt wurden.

Kühne besitzt mittels der Kühne Holding knapp 53 Prozent am Unternehmen. Der Milliardär ist derzeit nicht nur bei Kühne+Nagel auf «Einkaufstour». Bei der Lufthansa hat er seinen Anteil erst kürzlich auf 17,5 Prozent aufgestockt.

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Deutschland hat alle Lufthansa-Aktien verkauft – und gut Gewinn gemacht. Dagegen steigt der Einfluss von Klaus-Michael Kühne auf die Airline.

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Die Aktienkäufe bei Kühne+Nagel kommen in einem Moment, wo der Titel auf das tiefste Niveau seit Februar 2021 zurückgefallen ist. Das Kursminus beträgt allein diesjährig 25 Prozent. Analysten erachten die unmittelbaren Zukunftsaussichten für das Unternehmen als unsicher. Die Geschäftstätigkeit dürfte unter den eingetrübten globalen Wirtschaftsaussichten leiden. Kühne sieht wohl trotzdem mit Blick auf die Langzeitentwicklung auf dem derzeitigen Kursniveau nun gute Kaufgelegenheiten.

Einen anderen Weg ging allerdings ein Mitglied der Geschäftsleitung, das letzte Woche Aktien im Wert von 1,21 Millionen Franken verkauft hat.

3) EFG International: Grosser Aktienkauf mit Signalwirkung

Ein Verwaltungsratsmitglied von EFG International hat Ende August Aktien im Wert von 24,75 Millionen Franken gekauft – ausgeführt wurde die Transaktion von einer «nahestehenden juristischen Person». Dem steht ein Verkauf in der Höhe von relativ geringen 65'000 Franken durch ein Geschäftsleitungsmitglied gegenüber.

Vielmehr lässt der Aktienkauf Anlegerinnen und Anleger wohl aufhorchen, da der Vermögensverwalter wegen der hohen Dividende von 4,4 Prozent beliebt ist. Zudem übertraf EFG zuletzt mit ihrem Geschäftsgang die Erwartungen der Analysten deutlich, was sich auch am Aktienkurs widerspiegelt. Dieser befindet sich mit dem diesjährigen Kursplus von 19 Prozent auf dem höchsten Stand seit Februar 2018.

Auf den ersten Blick liegt die Vermutung nahe, dass Boris Collardi hinter der Transaktion stecken könnte. Ende April hatte dieser einen Anteil von 3,6 Prozent im Wert von 80 Millionen Franken gekauft. Nur: Der einstige Julius-Bär- und Pictet-Banker soll erst Anfang Oktober in den Verwaltungsrat der Zürcher Privatbank stossen. Welcher Verwaltungsrat für den Kauf verantwortlich ist, bleibt daher ein Spielball der Spekulation. Auffällig ist nur, dass ein Verwaltungsratsmitglied bereits Anfang Mai mit einer Transaktion im ähnlichen Umfang ein positives Signal für EFG International abgegeben hatte. 

4) Von Nestlé bis Tecan: Aktienverkäufe als schlechtes Omen?

Können die jüngsten Verkäufe umfangreicher Aktienpakete im eingetrübten Konjunkturumfeld dahingehend interpretiert werden, dass der eigenen Aktie nicht mehr viel zugetraut wird? Dann müssen auch die beiden Schwergewichte Nestlé und Novartis erwähnt werden. Ein oder mehrere Geschäftsleitungsmitglieder des Nahrungsmittelkonzerns haben in zwei Transaktionen Aktien im Wert von 2 Millionen Franken verkauft.

Beim Pharmakonzern Novartis hat vor gut einer Woche ein Mitglied der Geschäftsleitung Aktien im Wert von 1,27 Millionen Franken losgestossen. Bei Novartis, das die Börsenturbulenzen in diesem Jahr mit einem Kursminus von 3 Prozent weitgehend unbeschadet überstanden hat, sehen Marktbeobachter kaum noch Potenzial – vor kurzem haben gleich zwei Analysten das Rating gesenkt.

Bemerkenswerter als diese Transaktionen waren aber die Geschehnisse beim Laborausrüster Tecan. In sechs Transaktionen haben ein oder mehrere Geschäftsleitungsmitglieder Ende August Aktien im Wert von 7,6 Millionen Franken zu einem Zeitpunkt veräussert, als sich der Titel von den diesjährigen Tiefstständen teilweise erholt hatte. Tecan war ein Gewinner der Pandemie. Die Situation hat sich nun aber geändert, und die Verkäufe von Instrumenten im Zusammenhang mit Covid-19 sind praktisch zum Erliegen gekommen. Der kurzweilige Auftrieb über die Sommermonate wurde wohl als gute Verkaufsgelegenheit angesehen – wenn diese Interpretation zutrifft, sind dies keine guten Aussichten für das Restjahr. 

Auch bei anderen Schweizer Unternehmen haben sich die Aktienverkäufe in den letzten vier Wochen gehäuft: Beim Dividenden-Liebling Mobilezone verkaufte Anfang September ein Mitglied der Geschäftsleitung Aktien im Wert von 6,83 Millionen Franken. Auch die am besten performende Bank an der Schweizer Börse wurde nicht verschont: Geschäftsleitungsmitglieder der Waadtländer Kantonalbank stiessen Anteile im Wert von 2,64 Millionen Franken ab. Und beim Schokoladenproduzenten Lindt & Sprüngli kam es auf Monatssicht bei den Partizipationsscheinen zu sechs Tranchen an Verkäufen im Wert von 6,26 Millionen Franken. 

5) Dufry und Inficon: Commitment der Teppichetage

Aktionäre und Aktionärinnen erleben mit einem Kursminus von 30 Prozent kein gutes Jahr mit Dufry. Der hochverschuldete Reisedetailhändler zeigte sich am Investorentag von Anfang September aber zuversichtlich, dass sich die Reiseaktivitäten schon bald weltweit wieder vollständig erholen. Nach dem Investorentag kaufte ein Mitglied der Geschäftsleitung Aktien im Wert von 1 Million Franken und setzte damit ein positives Zeichen. Seit die Übernahme der italienischen Autogrill am 11. Juli bekannt wurde, hat die Teppichetage über 9 Millionen Franken investiert.

Beim Messtechnikunternehmen Inficon haben in den letzten vier Wochen ein oder mehrere Verwaltungsratsmitglieder in sechs Transaktionen Aktien im Wert von 1,35 Millionen Aktien gekauft. Abgeschlossen wurde der Handel von einer «nahestehenden juristischen Person», was den Verdacht aufkommen lässt, dass Vanessa Frey mit der Beteiligungsgesellschaft KWE dahintersteckt. Diese ist mit einem Anteil von knapp 20 Prozent der grösste Inficon-Aktionär. Anscheinend wird der Kurssturz von 52 Prozent seit Anfang Jahr als übertrieben und als Opportunität angesehen. 

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