Noch vor nicht allzu langer Zeit äusserte sich ein hochrangiger Banker der UBS in einem Hintergrundgespräch mit der HZ etwas abfällig über die britische Neobank Revolut, die mit einer schicken App und günstigen Kreditkarten-Konditionen innert kürzester Zeit Hunderttausende Kunden in der Schweiz fand. Selbst ein paar Millionen in die Hand nehmen, um das eigene Angebot aufzumöbeln oder was Ähnliches zu lancieren? Das könne man den Aktionären nicht erklären. Revolut verdiene doch kein Geld.

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Als das Zürcher Startup Neon an den Start ging, um – in Partnerschaft mit der Hypi Lenzburg – ein neues, rein App-basiertes Bankkonto anzubieten, sah man ähnliche Muster. Das Geschäftsmodell wurde infrage gestellt, die Kompetenz ebenfalls. Und sowieso: Kunden einer Schweizer Bank schätzten die persönliche Beratung, hörte man allenthalben. Meist von Private Bankern.

Gespanntes Warten auf die neuen Angebote der etablierten Banken

Inzwischen hat sich einiges getan. Nicht nur haben die Startups bewiesen, dass es eine Nachfrage nach ihren Produkten gibt. Auch die etablierten Banken passten sich an. Die Credit Suisse lehnte sich mit ihrem CSX stark an die hippen Vorbilder an und vom Joint Venture zwischen Postfinance und Swissquote, das dieser Tage als «Yuh» vorangemeldet wurde, sollte man Ähnliches erwarten.

Gleichzeitig kopieren die Banken eifrig Elemente der digitalen Vorbilder, die noch vor zwei Jahren als irrelevant bezeichnet wurden. Wie etwa das interaktive Management der Bankkarten.

Es sind selten die Erfolgreichen, die mit Innovationen glänzen. Was sich derzeit bei den Banken abspielt, konnte man auch in anderen Branchen beobachten. Die Covid-19-Impfstoffe kommen nicht aus den Labors der grossen Pharmaunternehmen, sondern wurden teilweise bei kleinen, agilen Konkurrenten entwickelt. Dem Strom-Auto hat nicht die deutsche Automobilindustrie zum Durchbruch verholfen, sondern ein Quereinsteiger aus den USA.

Die Geschichte ist voll mit Beispielen erfolgreicher Firmen, denen der Erfolg den Blick auf die Veränderung vernebelte – oder die bewusst versuchten, lukrative Geschäftsmodelle zu schützen.

Kodak verdiente sich so satt an der Produktion von Filmen, dass es das eigene Digitalgeschäft zurückstellte – Fuji machte das Gegenteil und existiert noch. Nokia wurde innert kürzester Zeit vom Marktführer bei Mobiltelefonen zu einem Nischenanbieter, weil es nicht an das Smartphone glaubte. Apple hingegen wurde wohl nur deshalb wieder erfolgreich, weil ihm der einst vertriebene Steve Jobs neue Ideen einflössen konnte, als das Unternehmen am Boden lag.

Offene Märkte  – und die Wirtschaft entwickelt sich weiter

Letztlich ist das gut so. Solange Märkte für Neulinge zugänglich bleiben und der Status quo nicht künstlich zementiert wird, entwickelt sich die Wirtschaft als Ganzes weiter – auch wenn einzelne Akteure dabei auf der Strecke bleiben.

Und damit wären wir wieder bei den Banken. Wer sich nur auf lukrative, vergangene Erfolgsrezepte verlässt, könnte schon bald wie Nokia dastehen.

Michael Heim Handelszeitung
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