Weltweit führende Notenbanker sehen angesichts einer hartnäckig hohen Inflation noch kein Ende ihres Zinserhöhungskurses. Auf dem Geldpolitik-Forum der Europäischen Zentralbank (EZB) im portugiesischen Sintra äusserten die Chefs der grossen Zentralbanken in einer Diskussionsrunde am Mittwoch zugleich die Hoffnung, eine Eindämmung der Teuerung ohne eine schwere Rezession zu erreichen.

US-Notenbankchef Jerome Powell schloss weitere Zinserhöhungen auf den nächsten Sitzungen der Fed nicht aus. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte frühere Aussagen, dass die Euro-Notenbank die Schlüsselsätze wahrscheinlich im Juli erneut anheben werde. Das jährliche EZB-Forum in Sintra ist eine der wichtigsten Konferenzen für die Geldpolitik.

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Rezession in den USA «sicherlich möglich»

Eine Rezession in den USA sei zwar nicht das wahrscheinlichste Szenario, aber es sei «sicherlich möglich», sagte Fed-Chef Jerome Powell in der Diskussionsrunde. Es sei ein besseres Gleichgewicht in der Wirtschaft möglich, «ohne dass es zu einem wirklich schweren Abschwung kommt.» Es bestehe aber auch «eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Abschwung kommt», fügte er hinzu. Die US-Wirtschaft sei allerdings recht widerstandsfähig.

«Wir haben mit den Zinserhöhungen einen weiten Weg zurückgelegt», sagte Powell. Auch wenn die Fed noch keine Entscheidung über ihren künftigen Kurs getroffen habe, «würde ich eine Anhebung in aufeinanderfolgenden Sitzungen keineswegs vom Tisch nehmen», sagte er. Die nächste Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed zur Festlegung der Zinssätze ist für den 25. und 26. Juli angesetzt. Die Fed legte nach zehn Erhöhungen in Folge zuletzt eine Pause ein und behielt die Leitzins-Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent bei. Sie will damit Zeit zum Sichten weiterer Konjunkturdaten gewinnen. Die Inflationsrate in den USA war im Mai zwar auf 4,0 von 4,9 Prozent im April gesunken, blieb aber deutlich über der von der Fed angepeilten Stabilitätsmarke.

Auch Eurozone könnte in Rezession rutschen, so Lagarde

EZB-Präsidentin Lagarde erkannte für den Euro-Raum noch nicht genug Anzeichen für eine Abschwächung des Preisschubs. «Wir sehen nicht genügend greifbare Beweise dafür, dass sich die zugrunde liegende Inflation - insbesondere die Inlandspreise – stabilisiert und sich nach unten bewegt», sagte sie in der Diskussionsrunde. Lagarde zufolge hat die EZB noch eine Wegstrecke auf ihrem Straffungskurs zu gehen. Sie bekräftigte frühere Aussagen, dass die EZB wahrscheinlich im Juli die Zinsen erneut anheben werde, sollten die Grundannahmen Bestand haben.

Lagarde sagte, es sei möglich, dass die schwächelnde Wirtschaft der Eurozone in diesem Jahr in eine regelrechte Rezession abrutschen könnte. Sie betonte aber, dies sei nicht die Grunderwartung der EZB. Die Euro-Notenbank erhöhte Mitte Juni die Zinssätze bereits das achte Mal in Folge auf den höchsten Stand seit 22 Jahren. Mit dem jüngsten Schritt um einen viertel Prozentpunkt liegt der Einlagensatz, der an den Finanzmärkten aktuell der wichtigste Schlüsselzins ist, inzwischen bei 3,5 Prozent.

Grossbritannien kämpft mit höchster Inflation aller G7-Länder

Der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, führte auf dem Podium aus, die unerwartete Anhebung der Zinssätze um 0,50 Prozentpunkte in der vergangenen Woche sei die Reaktion auf eine anhaltende Inflation und eine robuste Wirtschaft. Die Bank von England sehe derzeit keine Rezession voraus. Zum künftigen Kurs zur Senkung der Inflation sagte er: «Wir werden tun, was nötig ist». Die Inflation im Vereinigten Königreich ist unter den G7-Ländern derzeit die höchste.

Eine deutlich andere Auffassung vertrat dagegen der Gouverneur der Bank von Japan (BOJ), Kazuo Ueda, auf dem Podium. Ueda sagte, die BOJ würde dann einen guten Grund sehen, von ihrer nach wie vor lockeren Geldpolitik abzuweichen, wenn sie «einigermassen sicher» sei, dass sich die Inflation nach einer Phase der Mässigung bis 2024 beschleunigen werde. Während die Gesamtinflation in Japan bei über 3 Prozent liege, halte die BOJ ihre Geldpolitik locker, weil die Kerninflation, in der schwankungsreiche Preise ausgeklammert sind, unter dem Ziel von 2,0 Prozent bleibe.

(reuters/rul)