Eine Branche will aufrütteln: Mehrere Vertreter der Gastronomie stellten sich heute vor die Medien, um eine dramatische Lage zu schildern. «Ich will nicht schwarzmalen, aber es brennt», sagte der Präsident des Dachverbands Gastrosuisse, Casimir Platzer. Aber das Gastgewerbe stehe kurz vor dem Kollaps – im Grunde verschärfe sich die Situation ähnlich wie bei den Fallzahlen, nämlich exponentiell.

«Die Gefahr eines Flächenbrandes ist gross», so Platzer weiter. Die Zahlen dazu: 33'000 Gastro-Arbeitsplätze seien in der Krise bislang verloren gegangen. Nun zeigt eine neue Studie von Gastrosuisse, dass jeder zweite Betrieb wegen der Pandemie in schweren finanziellen Schwierigkeiten steckt: Beinahe der Hälfte der Wirte berichtet, dass sie spätestens 2021 die Schliessung erwarten.

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«Zwei von fünf Betrieben könnten das nächste Halbjahr nicht überstehen», resümierte Platzer. Und damit seien 40 Prozent der Jobs gefährdet – also 100'000 Stellen in der Schweiz.

«Erhalten unsere Unternehmen nicht bald substanzielle Hilfen, wird unsere Stadt im Frühling nicht mehr wiederzukennen sein.»

Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt

In der Branche sei es nicht fünf vor zwölf, «es ist bereits halb zwei»: So stellten es St. Galler Wirte in einem Brief an die Kantonsregierung. Besonders getroffen ist die Stadt-Hotellerie und -Gastronomie, aber auch in ländlichen Gebieten spüren Wirte, Barbetreiber und Veranstalter die Verunsicherung.

So berichtete Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Gastwirtin im Toggenburg, dass sich die Absagen in den letzten zehn Tagen aufs Neue auftürmten; und die Buchungen seien regelrecht eingebrochen.

«Panikmachende Aussagen»

Eine Rolle, so Friedli, spielten dabei auch divergierende und panikmachende Aussagen von Behörden und Mitgliedern der Covid-Task-Force.

Aus dem Wallis war André Roduit angereist, Präsident von GastroValais: Die Wirte erwarteten «une catastrophe économique». Inzwischen herrsche auch grosse Zurückhaltung bei den Buchungen für den Winter, während auf der anderen Seite in vielen Betrieben die Covidkredite aufgebraucht und bald die Reserven am Ende seien.

Der Vertreter der Basler Wirte, Maurus Ebneter, machte spezifischer auf die kritische Lage der City-Gastronomie aufmerksam: Er habe gestandene Unternehmer gesehen, die ihm mit Tränen in den Augen schilderten, wie ihr Lebenswerk am Abgrund sei. Wichtig seien nun auch die staatliche Unterstützung auf Bundes- und Kantonsebene.

«Erhalten unsere Unternehmen nicht bald substanzielle Hilfen, wird unsere Stadt im Frühling nicht mehr wiederzukennen sein», so Ebneter zur Lage in Basel.

Was also tun? «Wir haben Verständnis für gewisse Massnahmen, aber es kann nicht sein, dass man auf dem Buckel des Gastgewerbes diese Krise bewältigen will», so die Position Wirte-Präsident Casimir Platzer.

In herkömmlichen Restaurants sei die Ansteckungsgefahr wirklich gering, das habe auch das Bundesamt für Gesundheit BAG bestätigt. 

«No go» Sperrstunden

Insgesamt gaben die Branchenvertreter zu spüren, dass die Politik und Behörden zu weit gehen und Massnahmen ohne Evidenz verordnen. Platzer nannte das Beispiel des Kantons Bern, wo der Regierungsrat bei den Gästezahlen Obergrenzen einführte – unanbhängig von der Grösse des Raumes.

Als «No go» nannten die Gastro-Experten eine Sperrstunden, Personenobergrenzen und grössere Mindestabstände. Es sei langsam klar, dass die Rolle der Restaurants im Epidemiegeschehen klein sei – trotzdem stünde die Branche im Fokus der Massnahmen: So die Argumentation Urs Pfäffli, dem Präsidenten von Gastro Zürich-City.

Kommunikation überdenken

Ansonsten riefen die Wirte nach Sofortmassnahmen und finanzieller Unterstützung und Mieterlässe. Der Erlass der Geschäftsmiete sei jetzt – wie beim Lockdown – selbstverständlich, so Pfäffli

Und Esther Friedli, die Co-Wirtin der «Sonne» in Ebnat-Kappel, wandte sich gegen das allgemeine Klima der Verunsicherung: Sie erwarte von den Bundesbehörden, dass sie die Kommunikation überdenken und einen breiteren Blick eröffnen. «Die Gesundheit ist unser höchstes Gut», so die SVP-Politikerin, «aber es gibt auch die Elemente Wirtschaft und Gesellschaft, die berücksichtigt werden müssen.»

Viel Arbeitslosigkeit drohe – und dies hätte ebenfalls schwere gesundheitliche Folgen.

(rap)