Lieber spät als nie: Am Montag haben gleich vier Bundesräte die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland verkündet. Die Schweiz möchte die Sanktionen der EU gegen Banken und Bankkunden zu ganzen Teilen übernehmen. Vermögen von Personen, die auf den Sanktionslisten aufgeführt sind, sind gesperrt. Auf der Liste steht auch Wladimir Putin.

Noch letzte Woche hatte der Bundesrat gezögert, die Sanktionen der EU direkt zu übernehmen. Bundespräsident Ignazio Cassis hatte damals mit der Schweizer Neutralität argumentiert.

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Das Umschwenken der Schweizer Regierung hat im Ausland und in den Medien aus aller Welt Reaktionen hervorgerufen. Eine Auswahl gibt es hier:

Bloomberg

«Die Schweizer geben historische Neutralität auf, um Russland-Sanktionen durchzusetzen», titelt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Schweizer Regierung habe mit der langjährigen Tradition der Neutralität gebrochen, heisst es im Artikel. «Dies ist ein mutiger Schritt für die Schweiz, die in internationalen Angelegenheiten lange Zeit eine neutrale Rolle gespielt hat.»

Die Nachrichtenagentur weist darauf hin, dass die Schweiz im vergangenen Juni die Gastgeberin eines Gipfeltreffens zwischen Putin und Biden in Genf gewesen sei sowie Gespräche zwischen Lawrow und Blinken organisiert habe. 

Zudem zitiert Bloomberg Josep Borrell, den aussenpolitischen Chef der EU: Er begrüsse den Schritt der Schweiz als «sehr, sehr gute Nachricht». Frühere Frustrationen mit der Schweiz rührten von deren Entscheidung her, Schweizer Banken nur daran zu hindern, neue Konten für von der EU sanktionierte Russen zu eröffnen, nicht aber bestehende Konten einzufrieren, schreibt die Nachrichtenagentur. 

«Dies ist ein mutiger Schritt für die Schweiz»

Bloomberg

Reuters

Ähnlich klingt es bei der Nachrichtenagentur Reuters. Die neutralen Schweizer würden mit «ihrer Vergangenheit brechen», in dem sie die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen hätten. Das sei eine «deutliche Abweichung» von der traditionellen Neutralität.

Die Nachrichtenagentur zitiert Bundespräsident Ignazio Cassis: Die Schweizer Neutralität bleibe gewahrt, aber «natürlich stehen wir auf der Seite der westlichen Werte».

Die Schweiz habe im Ukraine-Krieg versucht, ein «schwieriges Gleichgewicht zwischen der Solidarität mit dem Westen und der Beibehaltung ihrer traditionellen Neutralität zu halten», die sie zu einem potenziellen Vermittler machen könnte, analysiert Reuters. Die Schweizer Regierung hätte sich jedoch mit wachsendem Druck seitens der EU, der USA und Tausender Demonstranten und Demonstrantinnen konfrontiert gesehen, die am Samstag in Bern aufmarschiert seien und die Regierung aufforderten, sich klar auf die Seite des Westens und gegen Moskau zu stellen.

«Financial Times»

Der Bruch mit der Neutralität ist auch bei der britischen Wirtschaftszeitung «Financial Times» (FT) ein Thema. Die Schweiz, die lange Zeit als eines der «entgegenkommendsten Länder der Welt galt», in dem Russinnen und Russen feiern und Geschäfte machen können, werde nun zu einem der am wenigsten zugänglichen Länder, schreibt die FT. Dabei verwies das Blatt auf Putins Reichtümer, die in den letzten Jahren in die Schweiz verlagert worden seien, wie die 2016 durchgesickerten Dokumente der Offshore-Anwaltskanzlei Mossack Fonseca («Panama Papers») gezeigt hätten. 

Die Schweiz sei in den letzten Tagen von ihren europäischen Verbündeten zunehmend unter Druck gesetzt worden, gegen Russland vorzugehen, obwohl dies gegen die langjährige – und politisch «fast sakrosankte» – Verpflichtung des Landes zur internationalen Neutralität verstossen würde.

FT

Die «FT» über den Entscheid der Schweiz. 

Quelle: Screenshot

«The Wall Street Journal»

Das amerikanische Wirtschaftsblatt «The Wall Street Journal» bezeichnet die Schweiz als eine «Drehscheibe für internationale Geschäfte und die Lagerung von Privatvermögen». Das Land werde sich jetzt mit der EU bezüglich Anwendung des gesamten jüngsten Sanktionspakets der EU abstimmen.

Überdies zeigt das «Wall Street Journal» die Beziehungen der Schweiz zu den USA auf: «Schweizer Banken halten sich in der Regel an die Sanktionen der USA», heisst es milde. Dabei verweist das «Wall Street Journal» auf den CS-Fall aus 2018, bei dem die Grossbank im Rahmen der amerikanischen Sanktionen gegen Russland rund 5 Milliarden Dollar an Vermögenswerten eingefroren hatte.

Die Zeitung nennt auch den Ableger der Gazprombank in Zug, der 2018 untersagt wurde, neue Vermögen aufzunehmen. «The Wall Street Journal» verweist darauf, dass die Gazprombank Schweiz Anfang 2021 wieder neue Kundinnen und Kunden aufgenommen habe, wie aus dem Jahresbericht 2020 hervorgehe.

Die Bundesraete Ueli Maurer, Viola Amherd, Bundespraesident Ignazio Cassis und Karin Keller Sutter, von links, sprechen an einer Medienkonferenz ueber die Ukraine Krise, am Montag, 28. Februar 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Die Bundesräte und Bundesrätinnen Ueli Maurer, Viola Amherd, Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter während der Medienkonferenz am Montag.

Quelle: Keystone

«ABC News»

«Ein neues Europa vereint gegen Russland – sogar mit der neutralen Schweiz», titelt der amerikanische News-Sender ABC auf seinem Online-Portal. Ein Kontinent, der die «meiste Zeit des letzten Jahrtausends im Krieg mit sich selbst verbracht hat», habe sich gegen Russlands Invasion in der Ukraine vereint. Deutschland habe seine historische Politik, keine Waffen in Konfliktgebiete zu schicken, geändert und sogar die «berühmt neutrale Schweiz» habe sich dem Rest Europas gegen Moskau angeschlossen.

Neutralität sei für die Schweiz eine Überlebenstaktik, die das Alpenland seit Napoleon unabhängig halte. Sie sei weder Teil der Europäischen Union noch der Nato, erklärt ABC. Doch die Schweizer Regierung habe sich dem «öffentlichen Druck ihrer Bürgerinnen, Bürger und aller Parteien im Parlament mit Ausnahme der Rechtsextremen» gebeugt.

Der Schritt sei nicht nur symbolisch bedeutsam, sondern auch deshalb, weil die «berüchtigten Schweizer Geheimbanken» bei den russischen Oligarchen sehr beliebt seien.

Mehr zum Thema:

«The Daily Show» mit Trevor Noah

Der Schritt der Schweiz vom vergangenen Montag schaffte es nicht nur in die Zeitungen in Übersee, sondern auch bis in die vor allem in den USA beliebten Late-Night-Shows. So kommentierte Trevor Noah den Schritt wie folgt: «Die Schweiz wird in nichts involviert, in nichts. Weder in Kriege noch in Allianzen, in gar nichts! Aber jetzt doch. Das zeigt, wie gross diese Sanktionen sind», so Noah. 

Das Video findet sich unten (ab Minute 2:44).

«The Late Show» mit Stephen Colbert

Auch der bekannte Late-Night-Moderator Stephen Colbert liess es nicht aus, den Anschluss der Schweiz zu den EU-Sanktionen zu kommentieren: «Sogar die neutrale Schweiz hat alle Sanktionen der EU gegenüber Russland übernommen.»

Dabei wiederholt Colbert mehrmals: «Switzerland, Switzerland, Switzerland!» Die Schweiz, die nicht mal eine Position bezogen hätte, wenn es um Hitler gegangen sei, zieht der Talkmaster den Vergleich. «Aber dann würden (die Schweizer) nach Russland blicken und sagen: ‹Ihr seid zu weit gegangen.›» 

Das Video gibt es unten (ab Minute 2:55).

«Switzerland, Switzerland, Switzerland!»

Stephen Colbert

«Jimmy Kimmel Live»

Auch einer der dienstältesten Late-Night-Masters, Jimmy Kimmel, nahm gleich zu Anfang seiner Sendung die Schweiz als Thema auf: «Sogar die als neutral bekannte Schweiz hat Massnahmen gegen Russland ergriffen. Die Schweizer, die nie eine Seite einnehmen, haben ein Zeichen gesetzt», sagt Kimmel. Das Publikum applaudierte.

Aber auch Kimmel nahm Bezug auf die Vergangenheit der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und sagte: «Das sind die Leute (gemeint sind die Schweizer), die Hitler einen Safe gaben.» Zum Schluss spielte der Moderator noch einen Jodler und Ricola-Werbung ein. 

Das Video gibt es hier (ab Minute 0:30).