Laut Wirtschaftsminister Guy Parmelin übernimmt die Schweiz die ersten von der EU erlassenen Sanktionen gegen russische Personen und Unternehmen direkt. Es handle sich um eine Liste von 367 Einträgen.

Diese Personen dürfen beispielsweise nicht mehr in die Schweiz einreisen. Die entsprechende Verordnung gilt ab Freitagabend um 18 Uhr, wie Parmelin am Freitag vor den Medien in Bern sagte.

Weitere von der EU beschlossene Sanktionen werde die Schweiz ebenfalls übernehmen und umsetzen. Das gelte beispielsweise für die Einfuhrverbote aus Donezk und Luhansk. «Diese werden eins zu eins von der EU übernehmen.»

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Die Finanzsanktionen verbieten laut Parmelin beispielsweise Banken oder Versicherungen in der Schweiz, mit sanktionierten Personen neue Geschäftsbeziehungen einzugehen. Schon bestehende Konten und Verbindungen müssten dem Bund gemeldet werden.

Parmelin betonte wie Bundespräsident Ignazio Cassis, die eigenständigen Sanktionsmassnahmen der Schweiz sollten dafür sorgen, dass die Gespräche zwischen der Schweiz und den Konfliktparteien nicht abbreche. «Würde sie die Sanktionen automatisch übernehmen, könnte die Schweiz ihre traditionelle diplomatische Rolle nicht mehr glaubwürdig spielen.»

EU verhängt Sanktionen gegen Putin und Lawrow

Die EU wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Aussenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionsliste setzen. Dies bedeutet, dass möglicherweise in der EU vorhandene Vermögenswerte der beiden Politiker eingefroren werden. Zudem dürfen sie nicht mehr in die EU einreisen.

Nach der russischen Invasion in die Ukraine hat die US-Regierung auch die grösste russische Bank mit Sanktionen belegt. US-Institute müssen innerhalb von 30 Tagen jegliche Konten der Sberbank schliessen, die bislang Geschäfte in US-Dollar ermöglichten, wie das Finanzministerium erklärte. Die russische Bank, die mehrheitlich im Staatsbesitz sei, sei der grösste Gläubiger der russischen Wirtschaft und der grösste Verwalter von Spareinlagen, hiess es weiter.

Bereits zuvor hatte US-Präsident Joe Biden angekündigt, vier weitere Kreditinstitute, darunter auch Russlands zweitgrösste Bank VTB, mit noch weitergehenderen Sanktionen zu belegen, die sie ebenfalls aus dem US-Finanzmarkt und Währungssystem ausschliessen.

Währungsgeschäfte unterbrochen

Dazu erklärte das Finanzministerium: «Russische Finanzinstitutionen führen weltweit täglich Währungsgeschäfte im Wert von 46 Milliarden US-Dollar aus, von denen 80 Prozent in US-Dollar passieren. Die grosse Mehrheit dieser Transaktionen wird nun unterbrochen.» Mit den zuvor angekündigten Massnahmen seien nunmehr rund 80 Prozent aller russischen Bankvermögen Ziel von Sanktionen, so das Ministerium.

Im Weissen Haus sagte ein stellvertretender nationaler Sicherheitsberater, Daleep Singh, die mit Bündnispartnern abgestimmten Sanktionen hätten die russische Wirtschaft bereits bei ihrer Ankündigung schwer getroffen.

Der Rubel und die Börse seien gefallen, die Refinanzierungskosten der Regierung deutlich gestiegen. «Diese Auswirkungen werden mit der Zeit zu höherer Inflation, höheren Zinsen, niedrigerer Kaufkraft, niedrigeren Investitionen, weniger Produktivität, weniger Wachstum und niedrigeren Lebensstandards in Russland führen», sagte er.

Die US-Regierung kündigte auch strikte Exportkontrollen für Russland an, die rund 50 Prozent aller Hightech-Importe Moskaus betreffen sollen, darunter zum Beispiel auch der Ankauf von Halbleitern. 

Sanktionspaket der Europäischen Union

Auch die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben bei einem Krisengipfel einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland zugestimmt. Die Strafmassnahmen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visavergabe geben.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschwor in der Nacht zu Freitag nach den rund sechstündigen Beratungen, zu denen auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet wurde, die Einheit der EU. «Unsere Einigkeit ist unsere Stärke», sagte sie. Der russische Präsident Wladimir Putin versuche die Landkarte Europas neu zu zeichnen. «Er muss und er wird scheitern.»

Uneinigkeit bei der Sperre von Swift

So einig, wie von der Leyen es beschrieb, waren sich die Staats- und Regierungschefs aber nicht. Mehrere von ihnen forderten schon vor Beginn des Sondergipfels noch weitreichendere Massnahmen. Dabei steht unter anderem das Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift im Zentrum. Ein Swift-Ausschluss hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute quasi vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden.

Zu den Ländern, die dieses Sanktionsinstrument zum derzeitigen Zeitpunkt ablehnen, gehört auch Deutschland. Scholz begründete diese Haltung in Brüssel mit strategischen Erwägungen. Man solle zunächst bei dem über die vergangenen Wochen vorbereiteten Sanktionspaket bleiben, sagte er. Alles andere müsse man sich «aufbehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun». Was das für eine Situation sein könnte, sagte Scholz allerdings nicht.

Ebenso sprach sich Österreichs Kanzler Karl Nehammer dagegen aus, Swift in das aktuelle Paket aufzunehmen. «Swift ist derzeit auch in den Vorschlägen kein Thema», sagte er. «Hintergrund des Ganzen ist, dass die Aussetzung von Swift weniger die Russische Föderation treffen würde als die Europäische Union.» Denn erstens habe Russland ein eigenes Zahlungssystem und zweitens würde Russland sofort auf das chinesische Zahlungssysteme umsteigen.

Einem EU-Diplomaten zufolge stimmten Italien, Zypern und Ungarn mit Deutschland darüber ein, dass für den Swift-Ausschluss nicht der richtige Zeitpunkt sei.

«Wir können nicht zulassen, dass ein weiterer Rubikon von Putin überschritten wird.»

Im Gegensatz dazu sprachen sich mehrere Staats- und Regierungschefs für möglichst scharfe Strafmassnahmen aus und nannten zum Teil auch Swift. So betonte der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa, es müsse das schärfst mögliche Sanktionspaket beschlossen werden – inklusive Swift-Ausschluss. Und der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte: «Wir müssen uns für massive Sanktionen einsetzen, für strenge Sanktionen gegen Putin, gegen Russland. Wir können nicht zulassen, dass ein weiterer Rubikon von Putin überschritten wird.»

Umgehend Arbeit an einem dritten Sanktionspaket

In EU-Kreisen wurde es am Donnerstag für möglich gehalten, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss Russlands aus Swift kommt. Die Staats- und Regierungschefs forderten die zuständigen Institutionen dazu auf, umgehend mit Arbeiten an einem neuen, dritten Sanktionspaket zu beginnen. Es soll auch die Möglichkeit schaffen, die Vermögen von russischen Oligarchen in der EU einzufrieren.

Bei den nun beschlossenen Sanktionen gegen den Finanzsektor geht es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor allem darum, Banken von den EU-Finanzmärkten abzuschneiden. Sie sollen sich in der EU künftig kein Geld mehr ausleihen und auch kein Geld mehr verleihen können. Zudem soll die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU verhindert werden. Ihre Aktien sollen nicht mehr in der EU gehandelt werden. Ähnliches ist für den Energiesektor geplant.

China streicht Einfuhrbeschränkungen für russischen Weizen

China hat Einfuhrbeschränkungen für Weizen aus Russland aufgehoben. Wie die Pekinger Zollverwaltung am Donnerstag mitteilte, soll künftig Weizen aus ganz Russland nach China eingeführt werden dürfen. Zuvor war dies nur aus sieben russischen Anbauregionen möglich, wie die staatliche Zeitung «Global Times« berichtete. Laut dem Blatt sei die Ankündigung zwar auf den Tag der russischen Militäroperation in der Ukraine gefallen, es gebe jedoch keinen Zusammenhang.

Tatsächlich hatten russische Behörden bereits Anfang Februar mitgeteilt, dass China Importe von Weizen und Gerste aus allen Teilen Russlands zulassen werde. Eine entsprechende Vereinbarung sei beim Besuch von Präsident Wladimir Putin in China Anfang Februar getroffen worden. 

China hatte es nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine vermieden, Moskau zu kritisieren. Stattdessen übte Peking unter anderem wegen Waffenlieferungen an die Ukraine Kritik an den USA und am Westen. Auch lehnt China Sanktionen gegen Russland ab. «Unsere Position ist, dass Sanktionen niemals ein wirksames Mittel sind, um Probleme zu lösen. Wir sind konsequent gegen alle illegalen einseitigen Sanktionen«, sagte eine Sprecherin des Pekinger Aussenministeriums bereits am Mittwoch: «Seit 2011 haben die USA mehr als 100 Sanktionen gegen Russland verhängt. Haben diese US-Sanktionen irgendein Problem gelöst?«, fragte die Sprecherin weiter.
 

Bei den Sanktionen gegen den Transportsektor geht es vor allem darum, die russische Luftverkehrsbranche von der Versorgung mit Ersatzteilen und anderer Technik abzuschneiden. Damit könne man mit relativ kleinem Aufwand riesige Wirkung erzielen und sogar ganze Flotten stilllegen, hiess es am Donnerstag in Brüssel. Die Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software sollen es auch anderen russischen Schlüsselindustrien schwer machen, sich weiterzuentwickeln. Dabei könne das Land mittel- und langfristig schwer getroffen werden, hiess es in Brüssel.

Die Einschränkungen bei der Visapolitik sollen sich gegen Russen richten, die bislang privilegierte Einreisemöglichkeiten in die EU hatten. Dazu zählen neben Diplomaten beispielsweise auch Geschäftsleute.

Grossbritannien zielt ebenfalls auf die Banken

Der britische Premierminister Boris Johnson hat ebenfalls ein Bündel an Sanktionen gegen Moskau bekannt gegeben. Es zielt auf Banken, Mitglieder des engsten Kreises um den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Superreiche ab, die in London auf grossem Fuss leben. Hunderte Milliarden von Dollar sind seit dem Fall der Sowjetunion 1991 aus Russland nach London und in die britischen Überseegebiete geflossen. London entwickelte sich seitdem auch zur westlichen Wahlheimat von superreichen Russen und anderen Personen der ehemaligen Sowjetrepubliken.

Im Folgenden werden einige der Strafmassnahmen aufgeführt:

  • Grossbritannien schneidet russische Firmen von seinen Kapitalmärkten ab. Seit dem Fall der Sowjetunion sind die Londoner Kapitalmärkte zum bevorzugten Ziel für russische Unternehmen geworden, um Geld ausserhalb von Moskau aufzunehmen. Russische Firmen haben laut der Finanzmarktplattform Dealogic seit 2010 mehr als 39 Milliarden Pfund (umgerechnet rund 47 Milliarden Euro) an Londons Geldmärkten aufgenommen.
  • Grossbritannien verbietet den Verkauf von russischen Anleihen in London. Das Land hat seit Anfang 2020 in London Staatsanleihen im Volumen von umgerechnet rund 4,9 Milliarden Euro begeben. Russland hat jedoch seine Abhängigkeit von London bei der Emission von Bonds reduziert, seit der russische Präsident Wladimir Putin 2014 die Annektierung der Krim angeordnete. Mit den weltweit viertgrössten Devisenbeständen von über 630 Milliarden Dollar und einem Rohölpreis von über 100 Dollar je Barrel muss Russland wahrscheinlich in der nahen Zukunft keine grossen Mengen an Fremdwährunganleihen emittieren.
  • Grossbritannien will bekanntgeben, dass Auslandsvermögen russischer Grossbanken eingefroren werden. Dazu zählt auch die zweitgrösste Bank des Landes VTB, die sich im Staatsbesitz befindet.
  • Johnson will über 100 Einzelpersonen, russische Firmen und deren Tochtergesellschaften sanktionieren.
  • Grossbritannien will zudem ein Gesetz auf dem Weg bringen, das Einlagen von russischen Staatsbürgern auf Konten britischer Banken begrenzt.
  • Die britische Regierung will auch diverse High-Tech-Exporte nach Russland sowie Ausfuhren an extraktive Branchen untersagen.
  • Alle Ausfuhren von «Dual-Use-Gütern«, also Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, sollen ab sofort ausgesetzt oder verboten werden.
  • Grossbritannien will darüber hinaus ein neues Team in der nationalen Kriminalpolizei National Crime Agency (NCA) installieren. Dieses soll sicherstellen, dass russische Oligarchen die auf den Weg gebrachten Sanktionen nicht umgehen. Die NCA stellt die führende Strafverfolgungsbehörde in Grossbritannien und Nordirland gegen organisiertes Verbrechen, Waffen- und Drogenhandel, sowie Cyber- und Wirtschaftskriminalität dar.
  • Flugzeugen der russischen Fluggesellschaft Aeroflot wird die Landung auf britischen Flughäfen verboten. 

Auch Japan verschärft die Massnahmen

Der Westen steht mit seinen Massnahmen nicht alleine. Auch Japan zum Beispiel hat weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. Das neue Paket beinhalte Exportkontrollen bei Halbleitern und anderen Produkten, erklärte der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida am Freitag. Ausserdem werde das Vermögen von russischen Finanzinstituten eingefroren und Visavergaben für bestimmte russische Personen und Einrichtungen gestoppt. Kurz zuvor hatte die Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsnationen (G7), zu der Japan als einziges Land aus Asien gehört, Russlands Vorgehen verurteilt und koordinierte Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland angekündigt.

Japan hatte bereits am Mittwoch erste Sanktionen gegen Russland angekündigt. Dazu gehört das Einfrieren von Visa für Vertreter der beiden Separatistenregionen Donezk und Luhansk und deren Vermögen. Zudem wird der Güteraustausch mit den beiden Regionen sowie die Ausgabe und der Handel mit russischen Anleihen in Japan verboten. Damit schloss sich Japan seiner Schutzmacht USA und Europa an.

Die Schweiz zögert mit eigenen Sanktionen

Die Schweiz will nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die EU-Sanktionen gegen Russland grösstenteils mittragen. Das hat der Bundesrat am Donnerstag entschieden. Die rechtliche Umsetzung des Entscheids ist kompliziert – und sorgte für Stirnrunzeln.

Juristisch betrachtet setzt der Bundesrat die Übernahme der allermeisten EU-Sanktionen über eine seit der Krim-Annexion 2014 geltende Verordnung um. Nicht nur der Name (Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine) ist kompliziert, sondern auch das Konzept dahinter.

Der Bundesrat hatte damals beschlossen, die Sanktionen der EU nicht direkt zu übernehmen, aber alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit die Schweiz nicht zur Umgehung dieser Sanktionen missbraucht wird. Dazu gehören beispielsweise Importverbote, Meldepflichten oder Bewilligungspflichten für den Handel mit Gütern und Geldern.

Faktisch Übernahme der EU-Massnahmen

Diese Verordnung will der Bundesrat nach der jüngsten Aggression Russlands verschärfen, wie verschiedene Experten des Bundes vor den Medien in Bern darlegten. Zusammengefasst gesagt, übernimmt die Schweiz faktisch alle bisher getroffenen EU-Sanktionen gegenüber Russland – mit einer Ausnahme. Nämlich sollen vorerst keine Gelder von russischen Privatpersonen eingefroren werden.

Jedoch soll die heutige Meldepflicht durch eine strengere, noch zu definierende Massnahme ersetzt werden, wie Botschafter Erwin Bollinger bekanntgab. Geprüft werde unter anderem, ob bei Banken keine Neugelder aus Russland angelegt werden dürfen. Laut Regierungssprecher André Simonazzi geht es dem Bundesrat letztlich darum, dass die Schweiz nicht für die Umgehung von Finanz-, Handels- und Reisesanktionen gegenüber Russland benutzt werden kann.

Die einstündige Medienkonferenz zur ausserordentlichen Ukraine-Sitzung des Bundesrats hinterliess jedoch ratlose Gesichter. Antworten auf wichtige Fragen blieben im Ungefähren. So lässt sich etwa weiterhin nur spekulieren, weshalb die Schweiz offiziell nicht von Sanktionen spricht, sondern von Massnahmen, um die Umgehung von Sanktionen zu vermeiden.

«Das hat mehr oder weniger denselben Effekt«, sagte Botschafter Bollinger zwar - um wenig später zu ergänzen: Die Schweizer Kommunikation über die Sanktionen werde in Russland wohl «anders aufgefasst». Ob es also doch mehr als ein semantischer Unterschied und juristischer Kniff ist, bleibt vorerst dahingestellt.

Dass die Schweiz die EU-Sanktionen nicht sofort eins zu eins übernimmt, liegt laut Staatssekretärin Livia Leu auch daran, dass «wir ein neutrales Land sind, das gute Dienste erbringt». Ein Schutzmachtmandat wie jenes zwischen Russland und Georgien könne schlecht erfüllt werden, wenn sich die Schweiz zu nah an die Konfliktpartei begebe.

(awp/sda/reuters/me)