Der Ukraine-Krieg betrifft die Schweiz in verschiedenen Bereichen. Das sind die wichtigsten Bereiche, in denen die Schweiz Beziehungen zu Russland pflegt und für die der Konflikt Folgen haben wird:

Banken

Vor allem die Schweizer Banken stehen wegen des Ukraine-Konflikts im internationalen Fokus. «Die Schweiz könnte nun doch Vermögenswerte von russischen Oligarchen einfrieren», titelt etwas das «Handelsblatt» am Montag. Mit dieser zunehmenden Kritik aus dem In- und Ausland könnte die Schweiz am heutigen Montag beschliessen, russische Vermögenswerte einzufrieren. Das hat Bundesrat Ignazio Cassis am Wochenende gegenüber SRF verkündet. Vor ein paar Tagen äusserte sich der Bundesrat zu diesem Thema noch verhalten. 

Schweizer Banken sind aber wohl besonders von Sanktionen betroffen. «Die grossen Banken kommen nicht umhin, die US- und EU-Sanktionen anzuwenden», sagt Urs Zulauf, der bis 2013 für die Finanzmarktaufsicht arbeitete und heute Banken berät, gegenüber der «Handelszeitung». «Dabei wenden die Banken in der Regel die jeweils strengste Sanktion an, um sicherzugehen.» Natürlich hätte man eine klarere Rechtsgrundlage, wenn die Schweiz die gleichen Sanktionen aussprechen würde wie die EU oder die USA, sagt Zulauf. Das Ergebnis sei aber dasselbe. «Keine grosse Bank geht das Risiko ein, gegen eine US-Sanktion zu verstossen», so der Experte.

Müssen Schweizer Banken Konten von sanktionierten Russen oder russischen Firmen sperren lassen? Politisch hat die Frage international zu reden gegeben, denn bisher stellte sich die Schweizer Regierung gegen zu scharfe Sanktionen. Insbesondere wollte sie die Sperrung von Bankkonten, wie sie etwa in der EU und den USA angeordnet wurde, nicht mittragen. Bislang gilt lediglich eine Meldepflicht. Die Diskussion ist hoch politisch, denn ein grosser Teil russischer Auslandvermögen liegt in der Schweiz. Die Angst liegt nahe, dass der Schweizer Bankenplatz zur Umgehung der Sanktionen genutzt werden könnte.

Schon heute gelten für viele Banken jedoch faktisch die Sanktionen aus dem Ausland. «Keine grosse Bank geht das Risiko ein, gegen eine US-Sanktion zu verstossen», sagt Urs Zulauf (mehr siehe hier: https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/die-sanktionen-wirken-sich-indirekt-auch-auf-schweizer-banken-aus). «Dabei wenden die Banken in der Regel die jeweils strengste Sanktion an, um sicherzugehen.» 

Credit Suisse kam schon mal in die Bredouille

Was es heissen kann, gegen ausländische Sanktionen zu verstossen, die von der Schweiz formal nicht mitgetragen werden, zeigt das Beispiel der Credit Suisse. Diese wurde 2009 in den USA zu einer Busse von einer halben Milliarde Dollar verurteilt, weil sie amerikanische Sanktionen umgangen hatte – unter anderem mit Bankgeschäften, die über Iran liefen.

Man könne davon ausgehen, dass sämtliche von internationalen Sanktionen betroffenen Bankkonten seit Donnerstag mit internen Kontosperren belegt wurden, sagt der Chef einer Bank, der einst selbst direkt mit russischen Kunden zu tun hatte. «Keine Bank kann sich noch erlauben, gegen Sanktionen der USA zu verstossen. Lieber nimmt man eine Busse in der Schweiz in Kauf als eine aus Amerika.»

Die Frage wird sein, ob es Banken gibt, die – wie damals im Geschäft mit US-Schwarzgeldkunden – das Gefühl haben, von internationalen Sanktionen nicht betroffen zu sein. Hier würden Verschärfungen in der Schweiz, aber auch zusätzliche Systemsperren wie der Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungsnetzwerk Swift greifen. Einen Swift-Ausschluss muss man sich vorstellen wie eine Netzsperre im Internet. Wer als Bank nicht an Swift teilnehmen kann, wird gewissermassen unsichtbar. Es wird nicht gänzlich unmöglich, mit solchen Banken Geschäfte zu treiben, aber sehr kompliziert.

Margin Calls bei Schweizer Banken

Doch nicht nur der Druck aus dem Ausland steigt, sondern auch der Unmut in der Schweizer Bevölkerung. So kam es am Sonntag zu Demonstrationen in Bern. So appellierte auch der ukrainische Botschafter in der Schweiz – Artem Rybchenko – in der «Sonntagszeitung», dass die Vermögen von russischen Regierungsabgeordneten in der Schweiz eingefroren werden sollen.

Die Schweizer Banken sind aber auch stark von den Kurseinbrüchen der letzten Tage betroffen. Laut «Finews» müssen mehrere Schweizer Banken sogenannte Margin Calls ausrufen. Ein Margin Call ist ein Aufruf, Geld für bestimmte Positionen nachzuschiessen, da diese sonst geschlossen werden könnten. Der russische Aktienmarkt verlor in den vergangenen Tagen über 200 Milliarden Dollar an Buchwert.

Das führte laut Bloomberg dazu, dass etwa die UBS den Wert von russischen Staatsanleihen abschreiben musste. Wenn wohlhabende Kunden keine Sicherheiten nachschiessen, könnten die Banken die als Pfand hinterlegten Wertschriften einziehen und verkaufen. Für die Kundenbeziehung zwischen reichen Russen und Schweizer Banken ist dieser Vorgang höchst unangenehm. Das betrifft auch Firmenkredite, die Schweizer Banken an russische Vermögende geliehen hatten und bei denen nun ein Verlust droht. 

Russische Banken in der Schweiz sanktioniert

Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, sind aber auch russische Banken in der Schweiz von den Sanktionen der US-Regierung betroffen. Die Sberbank und die VTB, die beiden grössten russischen Banken, verfügen in der Schweiz über wichtige Tochtergesellschaften. Dabei geht es vor allem um die für Russland so wichtigen Devisengeschäfte. Mit den Sanktionen werden diese Geschäfte nun unterbrochen. Die Tochtergesellschaften dürfte der Ausschluss aus dem US-Währungssystem dabei besonders hart treffen. Weil die Rohstoffdeals, die über Dollar abgewickelt werden, über die Tochtergesellschaften der zur Mehrheit dem russischen Staat gehörenden Banken laufen.

Der Rohstoffhändler VTB Capital in Zug ist nicht nur im Handel mit Metallen tätig, sondern auch im Getreidehandel. In der Schweiz ist laut der «Sonntagszeitung» der weltweit grösste Umschlagplatz für Getreide. Die Tochtergesellschaften sind auch im Kauf von Getreideanlagen tätig. 

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Erdgas

Die Schweiz ist heute hochgradig von russischem Erdgas abhängig. Gemäss den letzten bekannten Zahlen von 2020 betrug der Anteil Russlands an den Lieferländern 47 Prozent. Neuere Zahlen konnte der Verband der Gaswirtschaft auf Anfrage noch nicht liefern. Der Trend wies in den Jahren zuvor jedoch auf eine steigende Bedeutung Russlands hin, noch 2015 kam erst ein Viertel des Gases aus Russland.

Die Schweizer Gaswirtschaft schien sich zuletzt nicht gross über die strategische Bedeutung Russlands Gedanken gemacht zu haben. Aussagen des Branchenverbands zufolge wurde das Erdgas über die Handelsplätze in den Nachbarländern nach rein finanziellen Kriterien beschafft. Langfristige Lieferverträge direkt mit Herstellern pflegt die Gaswirtschaft – anderes als früher – nicht mehr.

Ersatz durch Flüssiggas?

Sollten die Gaslieferungen Russlands nach Europa zum Erliegen kommen, könnten zunächst kurzfristige Reserven in Europa angezapft werden. Die Schweiz hat allerdings keine eigenen Gasreserven und ist somit direkt auf Lieferungen aus den Nachbarländern angewiesen.

Darüber hinaus kann ein Teil der ausbleibenden Gaslieferungen über Flüssiggas ersetzt werden, das unter anderem in den USA oder am Golf produziert und per Schiff nach Europa transportiert wird. Aufgrund der hohen Gaspreise steuern schon heute viele dieser LNG-Tanker Europa an, weshalb die Versorgungslage derzeit gut ist. Zuletzt machte solches Flüssiggas etwa 11 Prozent des in der Schweiz verbrauchten Erdgases aus. Es spielt also schon heute eine relevante Rolle in der Gasversorgung.

Energiekonzerne

Tangiert vom Ukraine-Krieg ist nicht nur der Finanzplatz Zürich, sondern auch der Kanton Zug. Dort befindet sich nämlich der Sitz der Tochtergesellschaft des weltgrössten Erdgasförderkonzerns Gazprom. Der Energiegigant steuert von der Schweiz aus wichtige Geschäfte. Gazprom ist mehrheitlich in Besitz des russischen Staats und hat weltweit rund 500’000 Mitarbeitende.

Von Zug aus beschafft Gazprom sein Gas in Zentralasien und im Kaukasus. Aus der Schweiz werden auch der Transport und der Weiterverkauf des Gases organisiert. Aktuelle Umsatzzahlen sind nicht bekannt, der letzte Geschäftsbericht ist fast zehn Jahre alt und wies damals einen Umsatz von rund 9 Milliarden Franken aus. 

Verschachtelte Tochtergesellschaften

Der Energiekonzern unterhält sogar eine ganze Reihe von Tochtergesellschaften in Zug. So ist etwa auch die Gazprom Marketing & Trading Switzerland AG dort beheimatet, aber auch die Gas Project Development Central Asia AG, die zur Hälfte der Gazprom Germania in Berlin gehört. Dazu kommt auch die Gazprombank Schweiz AG. Auch das Aus der Nord Stream 2 vor ein paar Tagen hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gesellschaft in der Schweiz. Die Nord Stream AG betreibt die Pipeline, die bereits Erdgas von Russland in die Ostsee liefert, nun hätte auch die Nord Stream 2 AG diesen Dienst aufnehmen sollen. 

Laut dem «Tages-Anzeiger» gab es 2013 auch Gespräche, dass Gazprom mit Schweizer Abnehmern in Gesprächen sei und Gas an Stadt- und Regionalwerke liefern soll. Wie der Ausgang dieser Verhandlungen war, ist unbekannt. 

Der Sitz der Gazprom Marketing & Tranig Spitzerland AG an der Dammstrasse 19 in Zug, 21. April 2014. (KEYSTONE/Sigi Tischler)

Gazprom in Zug. 

Quelle: Keystone
Exporte

Die Schweiz lieferte 2021 Güter im Wert von 51 Millionen Franken nach Russland, die militärisch verwendet werden könnten, schreibt die «Luzerner Zeitung». Dabei wirft ein Fall einige Fragen auf: Für den Tarnkappenbomber Su-57 soll eine Schweizer Firma, Galika aus Volketswil, Aufträge erhalten haben. Vor zwei Jahren ersuchte das Unternehmen das Seco um Ausfuhrbewilligungen für Werkzeugmaschinen nach Russland. Der Nachrichtendienst riet davon ab, die Bewilligung zu erteilen. 

Die Firma Galika wollte die Geräte an einen zivil-militärischen Mischbetrieb in Russland verkaufen und behauptete, die Geräte seien für den medizinischen Bereich bestimmt. Konkret: für die Behandlung von Prostataerkrankungen. Der Nachrichtendienst stellte sich auf den Standpunkt, die Geräte seien für den militärischen Bereich bestimmt, und zwar die Sensoren der Tarnkappenbomber. Das Seco lehnte das Gesuch ab, Galika rekurrierte – noch ist das Geschäft nicht abgeschlossen. 

Für welche Zwecke werden die Güter tatsächlich verwendet?

Spitzfindig dabei ist, dass solche Güter als sogenannte Dual-Use-Güter deklariert werden. Das bedeutet, dass sie in erster Linie nicht einem militärischen Zweck dienen, aber eben auch dazu verwendet werden können. Das Seco verweigert eine Ausfuhr in der Regel nicht und hat sie im vergangenen Jahr für Güter von 51 Millionen Franken erlaubt, bei denen es überzeugt war, dass sie nicht einem militärischen Zweck dienen. Nach dem Beginn der Krise in der Ukraine nahmen die Bewilligungen vorerst ab, zogen aber in jüngster Vergangenheit wieder an. 

Liegenschaften

Die Schweiz ist bei wohlhabenden Russen beliebt: Sie nennen laut einer Studie der Beratungsfirma EY zusammen mit dem Immobilien-Broker Tranio die Schweiz als das beliebteste Land, um ein Bankkonto zu eröffnen. Oder um eben Immobilien zu kaufen. Besonders in Bergregionen kaufen Russen gerne Wohnungen oder Häuser. 

Laut Simon Incir von Engel & Völkers sind Russen aber auch an luxuriösen Immobilien rund um Lugano interessiert. «Sie wollen nicht nur wegen des angenehmen Klimas hierhin zügeln, sondern auch wegen der politischen und finanziellen Stabilität», sagt der Immobilienexperte. Der seit 2010 von Wüest Partner ermittelte Index der Transaktionspreise für Ferienwohnungen ist innert einem Jahr um 14,6 Prozent auf ein Allzeithoch von 137,1 Prozent gestiegen. Die Nachfrage nach Immobilien in Graubünden, im Wallis, im Tessin oder in der Westschweiz war in den vergangenen Jahren hoch – und teuer. Dabei werden auch immer russische Käufer genannt, die auch hohe Preise nicht davon abschrecken, eine Immobilie zu erwerben. 

Die Schweiz liegt bei den Russen hoch im Kurs

Als der «Oligarch von Engelberg» wurde Dmitri Jakubowski in der Schweiz bekannt. Sein Fall zeigt, dass die Geschäfte in der Schweiz nicht immer unproblematisch sind. 2017 wurde in Moskau ein Konkursverfahren gegen Jakubowski eröffnet.

Er soll rund 40 Millionen Franken an Steuergeldern hinterzogen haben. Der Russe war seit Jahren im Immobilien- und Baugeschäft tätig. Dazu betrieb er auch Gastronomiefirmen in der Schweiz, unter anderem das Traditionshotel Bänklialp in Engelberg. Er zog Anfang der 2010er Jahre in die Schweiz. 

Oligarchen in der Schweiz

Der bekannteste Schweizer Oligarch in der Schweiz ist Viktor Vekselberg. Es ist bekannt, dass die Schweizer Banken bei russischen Oligarchen und Geschäftsleuten hoch im Kurs stehen. Gemäss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bestehen Verbindlichkeiten von Schweizer Banken gegenüber russischen Kunden 2021 in der Höhe von rund 23 Milliarden Dollar. Vekselberg, der zwar bereits sanktioniert ist, hält Beteiligungen an Schweizer Unternehmen. Vekselberg ist bei Sulzer, OC Oerlikon und Swiss Steel Group investiert. Er hat laut «Bilanz» ein Vermögen von rund 13 Milliarden Dollar und ist damit in der Top Ten der vermögendsten Schweizer, wohnhaft in Zug. 

Weniger in der Öffentlichkeit bekannt ist der Russe Suleiman Kerimov. Die Kerimov-Foundation des 4,9 Milliarden Dollar schweren Russen mit Sitz in Luzern unterstützt unter anderem das Blue Balls Festival oder, mit einer einmaligen Zahlung, den Verein Film und Fernsehen Luzern Zentralschweiz. Kerimov kam aber wegen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerbetrug in die Schlagzeilen – und auch wegen des Kaufs einer Villa in Cap d’Antibes, bei dem auch der Verdacht auf Geldwäscherei aufkam. Der Luzerner Geschäftsmann Alexander Studhalter wurde vom Untersuchungsrichteramt verdächtigt, die Liegenschaft als Strohmann für den russischen Oligarchen erworben zu haben.

Mit einem Vermögen von rund 4 Milliarden Dollar ist auch der russische Oligarch Oleg Deripaska in der Schweiz tätig, mit Tochtergesellschaften in Genf und Zug. Seine Firma Rusal gilt als zweitgrösste Aluminiumherstellerin der Welt, von Zug aus wird das Marketing der Firma gemacht. Mit Rusal verbandelt ist auch der ehemalige Glencore-Chef Ivan Glasenberg, ebenfalls Russe. Er gab jedoch sein Mandat ab. 

ViktorVekselberg

Der bekannteste russische Oligarch in der Schweiz: Viktor Vekselberg.

Quelle: imago/ZUMA Press