Bereits seit 2003 ist eine Mehrheit der Jura-Studierenden weiblich. In der Gruppe der unter 35-Jährigen finden sich mittlerweile mehr Anwältinnen als Anwälte. Knapp die Hälfte aller angestellten Juristen in den grössten 15 Schweizer Anwaltskanzleien sind Frauen.

Anders in der Partnerschaft – im Januar 2021 betrug der Frauenanteil nämlich gerade einmal 13,6 Prozent, mit einer Spanne von 5,6 Prozent (Vischer) bis 30,4 Prozent (Lalive). Auf Stufe Equity Partner, also der am Kapital einer Anwaltskanzlei beteiligten Partner, ist die Quote sogar noch tiefer.

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Liegt das etwa daran, dass Frauen gar nicht Partnerinnen werden wollen? «Bullshit», antwortet eine Partnerin wie aus der Kanone geschossen. Fehlende Ambitionen oder gar mangelnder Nachwuchs vermögen diese tiefen Quoten nicht zu rechtfertigen. Woran liegt es also?

 

Dario R. Buschor ist Doktorand an der Universität St. Gallen

Biases und Ehrgeiz

Erstens liegt es am Unconscious Bias, einer unbewussten Voreingenommenheit. Wir alle sind uns selbst am nächsten. Und so ist es nicht überraschend, ja geradezu natürlich, dass wir Leute mögen (und folglich befördern), die uns ähnlich sind und an uns selbst erinnern.

Bei 84,4 Prozent der Männer in der Partnerschaft ist die Folge davon wenig überraschend. Dazu kommt, dass weiblicher Ehrgeiz noch immer negativ konnotiert ist. Bei Männern werden Ambitionen und selbstbewusstes Auftreten geschätzt, während dieselben Eigenschaften bei Frauen oft als «bossy», gar «bitchy» oder einfach als «übertrieben ehrgeizig» wahrgenommen werden.

Zweitens halten uns gesellschaftliche Normen zurück: Während für Männer «Familie und Karriere» die anerkannte Normalvorstellung verkörpert, wird von Frauen vielfach erwartet, dass sie zugunsten der Familie ihre Pensen reduzieren.

Gleichzeitig sind die Vergütungsmodelle aber oft derart ausgestaltet, dass Teilzeitarbeit – wo überhaupt möglich – zu überproportionalen Einkommenseinbussen führt. Und drittens: Wenn man sich denn um mehr Diversität bemüht, stellt sich sehr bald eine gewisse Diversity-Müdigkeit ein: Schon wieder dieses Thema? Man tut doch schon, was man kann.

Kanzleikunden können Diversity zum Auswahlkriterium machen

Es braucht Offenheit, Willen und professionelle Trainings, um den Unconscious Bias zu überwinden und unsere Denkmuster zu ändern. Daneben fehlt es an Mentoringprogrammen für Topkandidatinnen.

Solche stellen keine unfaire Sonderbehandlung dar, sondern vermögen die inhärente Ungerechtigkeit teilweise auszugleichen. Zusätzlich bedarf es mehr Flexibilität: Jemand will um 16 Uhr nach Hause, um den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen? Verkneifen Sie sich das schnippische «Ach, machen wir den Nachmittag frei?».

Freuen Sie sich für die Kollegin oder den Kollegen und seien Sie versichert, dass diese zu Hause zu später Stunde weiterarbeiten werden – sofern die IT-Infrastruktur es erlaubt (ist Corona in dieser Hinsicht sogar ein Segen?).

Und zu guter Letzt: Liebe Klienten, nutzen Sie Ihren Einfluss und nehmen Sie Ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr. Integrieren Sie Diversity nicht nur als leere Floskel im Company-Flyer, sondern machen Sie sie zu einem gewichtigen Auswahlkriterium für Ihre Rechtsberatung!

Sollten Sie bezüglich Qualität und Kommunikation überhaupt einen Unterschied feststellen, so bin ich überzeugt, dass es ein positiver sein wird. Auf Kanzleiseite wird Diversity-Müdigkeit schnell verblassen, wenn sie zum Umsatztreiber wird.

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