Werfen wir einen kurzen Blick zurück in die Vergangenheit: Vor etwa einem Jahr behaupteten die globalen Geldhüter – SNB inklusive –, die Inflation ante portas sei gar nicht so ein grosses Problem. Eine Straffung der Geldpolitik? Nein, noch nicht nötig. Im Nachhinein ist man immer schlauer, am BILANZ Business Talk gesteht nämlich SNB-Präsident Thomas Jordan: «Wir haben zu lange gewartet.» Die Situation sei jedoch äusserst speziell gewesen. Die Covid-Pandemie hatte eine Jahrhundert-Rezession ausgelöst, man habe verhindern wollen, mit zu raschen Handlungen «die Erholung abzuwürgen».
Aktuell sind die Prognosen der Währungshüter wieder sehr optimistisch. Wiederholt Herr Jordan den Fehler und denkt, man könne die Zahnpasta wieder in die Tube drücken?
«Solange die Energiepreise nicht weiter steigen, wird die Inflation runtergehen.» Bleibt also wieder abzuwarten.
Nach dem Sorgenkind CS befragt, bleibt der SNB-Frontmann, im Gegensatz zu Direktoriums-Kollegin Andréa Maechler, eher schmallippig. Erst diese Woche sagte Maechler, die SNB verfolge die Situation bei der Credit Suisse aufmerksam. Jordan kommentierte nur: «Wir sind nicht der Regulator», und wies darauf hin, dass die Krisenbank selber Ende Oktober die neuen Pläne publik mache.
Und wie gross ist die Wahrscheinlichkeit von Ausschüttungen der SNB für die Kantone? «Begrenzt», so der Nationalbankpräsident, «aber abgerechnet wird erst Ende Jahr.»
Blackouts und Plan B, C und D
Was die berufenen Gäste am Business Talk am meisten beschäftigt, ist das Energiethema – für Jordan natürlich, weil es die Inflation nach oben treibt, für Nestlé-Patron Mark Schneider ist die dadurch in den Keller gerasselte Konsumentenstimmung ein Problempunkt.
Jordan treibt vor allem das Versorgungsproblem seiner Zahlungssysteme um. Ist der Strom für den Geldtransfer etwa nicht gesichert? «Nein, ist er nicht», so Jordan, «wenn es zu Blackouts kommt, können auch Zahlungssysteme betroffen sein.» Die Konsequenzen: «verheerend». Die SNB versuche mit allen Kräften, dieses Szenario zu verhindern, etwa mit Kontingentierungs-Plänen bzw. dem gezielten An- und Abstellen des Stroms in bestimmten Regionen, aber: «Wir können die Systeme schweizweit nicht komplett schützen.»
Für Nestlé-Chef Mark Schneider ist die Lage noch akuter, der Nahrungsmittel-Gigant ist in über 190 Ländern tätig. Mit 110 Werken konzentriere sich Nestlé aber vor allem auf Westeuropa: «Im Frühjahr wurden bereits Plan B, C und D definiert», sagt Schneider, aber: «Es hängt jetzt alles vom Winter ab, ich mache mir Sorgen.»
Hallo kurze Lieferketten, Adieu Vorzüge
Für Mark Schneider viel zu sehr in den Hintergrund gerückt ist zudem die Nearshoring-Thematik. Falls die Wirtschaft wieder auf lokale und verkürzte Lieferketten setzen sollte, «dann geht der Fortschritt der letzten 30 Jahre verloren». Niedrige Preise und das grosse Sortiment an Produkten, die sofort bereitstehen – das sind alles Errungenschaften der Globalisierung, die aufgrund der jüngsten Ereignisse angezweifelt wird. Wenn sich Lieferketten verkürzten, sei mit einem längerfristigen Kostendruck zu rechnen. Deshalb erinnert der Nestlé-Chef: «Man darf nicht nur auf die Notenbanken schauen.»
Den ganzen BILANZ Business Talk zum Thema «Inflation, Krieg, Energiemangel, Nahrungsknappheit: Wie gefährlich wird der Abschwung?» mit SNB-Präsident Thomas Jordan und Nestlé-Chef Mark Schneider sehen Sie im Video oben.