Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Patrik Lang*: Die Risiken einer Eskalation des Handelskrieges zwischen China und den USA und dessen mögliche Auswirkungen stehen derzeit eindeutig im Vordergrund. Die unerwartete Ankündigung von Donald Trump, Importe aus China mit weiteren Strafzöllen zu belegen, hat den Börsen einen Dämpfer versetzt.

Die Chinesen haben daraufhin ihre eigene Währung markant abgewertet. Zudem wies die Regierung in Peking Unternehmen an, keine Agrarprodukte aus China mehr zu exportieren. Damit hat der Handelskonflikt zwischen den USA und China eine neue Eskalationsstufe erreicht. 

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Die Unsicherheit über den Ausgang des Konflikts belastet bereits heute die globale Konjunkturentwicklung. Im Fall einer weiteren Eskalation würde sich das Umfeld weiter verschlechtern, bis hin zu einer globalen Rezession. Die Frage ist, ob Donald Trump dieses Risiko im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen eingehen wird.

Wir gehen davon aus, dass es nicht zu einer umfassenden Eskalation kommt und somit eine Rezession vermieden werden kann. Die US-Notenbank hat bereits begonnen die Zinsen zu senken, und wir rechnen damit, dass in den USA und rund um den Globus weitere Zinssenkungen folgen werden.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Handelskonflikt den aktuellen Konjunkturzyklus verlängert. Davon sollten die globalen Aktienmärkte profitieren. Wir denken, dass die aktuelle Korrektur eine weitere Kaufgelegenheit bietet und wir bis Jahresende neue Höchststände sehen werden. 

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Der Schweizer Aktienmarkt konnte sich zuletzt vom schwachen globalen Marktumfeld nicht abkoppeln. Neben den Befürchtungen einer Eskalation des Handelskonfliktes hat sich hier vor allem der starke Schweizer Franken negativ bemerkbar gemacht. In den vergangenen beiden Jahren gab es insgesamt drei nennenswerte Korrekturen am Aktienmarkt.

Die erste zu Beginn 2018 und eine weitere am Jahresende. Die vorerst letzte Korrektur hat dann im Mai diesen Jahres stattgefunden. Auslöser für alle diese Rücksetzer war die Ankündigung von Strafzöllen seitens der USA. Alle diese Korrekturen haben ein bis zwei Monate gedauert.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die aktuelle Korrektur noch etwas anhält. Wir gehen aber davon aus, dass auch der Schweizer Aktienmarkt am Jahresende höher stehen wird als zurzeit.

Patrick Lang

*Patrik Lang: Head of Equity Research bei Julius Bär.

Quelle: Julius Bär

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?

Wir gehen davon aus, dass der SMI in zwölf Monaten bei 10'300 stehen wird. Einschliesslich Dividenden entspräche dies ausgehend von heute einem Aufwärtspotenzial von gut 10 Prozent.

Der Franken wertet auf, weil sich Anleger in sichere Häfen flüchten. Erwarten Sie eine weitere Aufwertung?

Sollte der Handelsstreit zwischen den USA und China weiter eskalieren, so dürfte der Franken weiter gegenüber dem Dollar zulegen, aber auch gegenüber dem Euro, wo er schon seit April stark zugelegt hat. Es kommt darauf an, wie effizient die SNB mittels Interventionen am Devisenmarkt gegensteuern kann; bisher hat sie sich recht wacker geschlagen.

Wir schliessen eine SNB-Zinssenkung im September nicht aus, weil die Fed und die EZB eine solche vornehmen dürften. Wir gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass sich der Franken über die kommenden Monate leicht auf 1,11 Euro abschwächt.

Welche Folgen hat die jüngste Eskalation im Handelsstreit auf die Schweiz?

Keine guten: Der verarbeitende Sektor zeigt über die Einkaufsmanagerumfragen (PMI) bereits sektoriell eine Rezession an, die vom wichtigsten Exportmarkt Deutschland, wo die Schweiz ein wichtiger Zulieferer ist, rüber geschwappt ist.

So trifft der Handelsstreit nicht nur direkt einzelne in China oder USA betroffene Schweizer Firmen, sondern auch vielmehr indirekt die Schweizer Wirtschaft, da Deutschland und andere wichtige europäische Exporteure stark unter dem Handelsstreit leiden.

Für wie gross halten Sie das Rezessionsrisiko in der Schweiz?

Das mittelfristige Rezessionsrisiko in der Schweiz ist vor dem Hintergrund des Handelsstreits zuletzt gestiegen, liegt aber bis Ende Jahr immer noch bei 30 Prozent. Sofern die Situation weiterhin angespannt bleibt, ist für das kommende Jahr mit einem steigenden Rezessionsrisiko zu rechnen.

Wir gehen aber davon aus, dass in den kommenden zwölf Monaten eine Rezession vermieden werden kann. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Notenbanken, die mit einer deutlich expansiveren Geldpolitik die Konjunkturentwicklung stützen dürfte. Vor diesem Hintergrund sollte sich der Handelsstreit längerfristig zu einer Verlängerung des laufenden Konjunkturzyklus führen.

Somit sehen wir auf der einen Seite ein erhöhtes Rezessionsrisiko für die Schweiz, aber auf der anderen Seite auch die Chance auf einen länger als gedachten wirtschaftlichen Wachstumszyklus.

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