Das Résumé von Fussballlehrer Jürgen Klopp nach einem verlorenen Match seiner Mannschaft? «It is not a wish concert.» Vielleicht ist das auch der beste Kommentar, den man zur Wirtschaftspolitik nach dem jüngsten rapiden Anstieg der Inflationsraten in den Industrieländern geben kann: Es ist kein Wunschkonzert.

Klaus W. Wellershoff ist Ökonom und leitet das von ihm gegründete Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners. Er war Chefökonom der UBS und unterrichtet Nationalökonomie an der Universität St. Gallen.

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Selten zuvor ist die Inflation noch in der Rezession so stark angestiegen wie jüngst in den USA und in Europa. In den vergangenen neun Monaten nahm die Preissteigerungsrate in Amerika um 3,2 Prozentpunkte, in der Euro-Zone um 1,9 und in der Schweiz um 1,6 Prozentpunkte zu. 

Die Hintergründe sind vielfältig. Allen voran sind es die Erdölpreise, die seit dem Tiefpunkt der Corona-Krise deutlich gestiegen sind. Aber auch andere Rohwaren und Vorprodukte haben preislich deutlich zugelegt. Vom Bauholz über Maiskolben bis zu Computerchips: Es gibt reale Engpässe, die zu Lieferschwierigkeiten und steigenden Preisen führen.

Übervolle Portemonnaies 

Ganz unerwartet kommt das alles nicht. Bereits vor mehr als einem Jahr haben wir darüber diskutiert, dass Corona zu Lieferengpässen führen könnte. Auch wissen wir, dass Rezessionen Zeiten beschleunigter Präferenzveränderungen bedeuten. Unerwarteter Mehrnachfrage stehen dann schnell einmal noch nicht ausreichende Produktionskapazitäten gegenüber. 

All das trifft auf Konsumentinnen und Konsumenten, die dank der staatlichen Unterstützungsmassnahmen mit übervollen Portemonnaies ausgestattet sind. Natürlich haben viele Haushalte die Mittel aus Kurzarbeitsgeld und staatlichen Zuwendungen gebraucht und auch ausgegeben. Gleichzeitig gibt es aber viele Haushalte, die in den vergangenen zwölf Monaten stark sparen konnten.

«Erst wenn wir auch die Kosten unseres Handelns thematisieren, treffen wir die richtigen Entscheidungen.»

Klaus Wellershoff, Ökonom Wellershoff & Partners

Allein in den USA rechnet man mit solchen Mitnahmeeffekten bei den besser verdienenden Haushalten in der Grössenordnung von 6 Prozent des Volkseinkommens. Da schaut so mancher nicht mehr so ganz genau aufs Preisschild, wenn er sich nach Monaten des Lockdowns wieder etwas gönnen darf.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist der aktuelle Inflationsanstieg aber nur temporär. Immerhin besteht der Grossteil unseres Warenkorbs heute nicht mehr aus Gütern, sondern aus Dienstleistungen. Um die Inflation auf breiter Front ins Rollen zu bringen, müssen wohl erst die Löhne deutlich steigen.

Ökologischer Umbau erzeugt Knappheiten

Dennoch sollten wir die höheren Preissteigerungsraten bei einigen Gütern als Mahnung verstehen, dass jeder Eingriff der Politik Kosten zur Folge hat.

Devisenmarktinterventionen schwächen den Wechselkurs und machen Importe teurer als nötig.

Tiefe Zinsen stützen die Konjunktur und führen über die Aufwertung von Immobilien und Aktien zu wachsender Vermögensungleichheit und tieferen zukünftigen Erträgen.

Beides zusammen schafft die Voraussetzung für höhere Inflation.

Zudem erzeugt der ökologische Umbau der Wirtschaft durch die Politik ganz gewollt neue Knappheiten in der Realwirtschaft, an die wir heute wenig denken. So rechnet die chemische Industrie Deutschlands damit, dass sie nach dem Umbau so viel Strom verbrauchen wird wie heute das ganze Land.

Das bedeutet nicht, dass Politik den Wählerwunsch nach mehr CO₂-Neutralität nicht umsetzen soll. Aber es bedeutet, dass wir ehrlich sein müssen mit uns selbst. Das mit dem «Foifer und dem Weggli» stimmt halt doch. Oder eben mit Jürgen Klopp: «It is not a wish concert.»

Ob Devisenmarktinterventionen, Staatsausgaben oder Klimapolitik: Erst wenn wir auch die Kosten unseres Handelns thematisieren, treffen wir die richtigen Entscheidungen.